: Linke darf nicht kontrollieren
… denn ihre Fraktion ist zu klein, sagt das Gesetz. Bei der ersten Sitzung der Bürgerschaft beklagt Parlamentspräsident Röder (CDU) die geringe Wahlbeteiligung und spricht vom Legitimationsdefizit
VON GERNOT KNÖDLER
Hängt man der Küchenpsychologie vom Unbewussten an, wollen sie alle gar nicht regieren. Bei der konstituierenden Sitzung zur Hamburgischen Bürgerschaft trägt der amtierende Bürgermeister Ole von Beust am Mittwoch eine rot-grüne Krawatte. SPD-Fraktionschef Michael Neumann ist im schwarz-grünen Smart vorgefahren und Dora Heyenn (Die Linke) sitzt mit Christa Goetsch von der GAL als rot-schwarzes Duo in der ersten Reihe – zumindest sind die beiden so angezogen.
Hamburgs neu gewählte Bürgerschaft hat sich gestern eine Geschäftsordnung gegeben, einen Präsidenten gewählt und die ersten Ausschüsse besetzt. Es gab Blumensträuße, Erinnerungsfotos und eine Aufregung wie bei Großmutters Geburtstag. Reporter, insbesondere türkischer Medien, fotografierten und filmten die fünf neuen Abgeordneten aus Zuwandererfamilien: Bülent Ciftlik (SPD), David Erkalp (CDU), Metin Hakverdi (SPD), Aygül Özkan (CDU) und Mehmet Yildiz (Die Linke). Ciftlik brachte zur Feier des Tages seine Eltern mit.
Die Berührungsängste zwischen den Fraktionen schienen zumindest nicht grundsätzlicher Art zu sein. Über die Fraktionen hinweg begrüßten sich die wiedergewählten Abgeordneten, als seien sie gerade aus den Ferien gekommen. Norbert Hackbusch, der schon für die GAL und deren Abspaltung Regenbogen in der Bürgerschaft saß und nach sieben Jahren Pause wieder dabei ist, bewegte sich wie ein Fisch im Wasser. Bei den Routine-Abstimmungen las er unterm Tisch – die Frankfurter Allgemeine.
Routiniert wickelten die Fraktionen auch den ersten Streitpunkt ab: Die Besetzung der Kontrollausschüsse für den Verfassungsschutz und das Fernmeldegeheimnis sowie der Wohnungsüberwachung. Weil sie nur acht Sitze hat, stehen der Linken, die selbst überwacht wird, in den drei Ausschüssen keine Sitze zu. „Die Linke wird von der Kontrolle wichtiger Organe der Exekutive ausgeschlossen“, kritisierte deren Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn. „Wir bestehen auf einer gleichberechtigten Mitwirkung.“
Klaus-Peter Hesse von der CDU äußerte für diese Position Verständnis. Allein: Die Regeln sprächen eindeutig dagegen. 2001 bis 2004 habe das die FDP getroffen, obwohl diese sogar im Senat vertreten war. In anderen Landesparlamenten gebe es ähnliche Regeln. Britta Ernst von der SPD führte aus, dass es sich um eine gesetzliche Vorschrift handele, die bisher noch nie geändert worden sei. Till Steffen von der GAL wies darauf hin, dass auch die GAL nicht in der Kommission zum Schutz des Fernmeldegeheimnisses sitze.
Bürgerschaftspräsident Bernd Röder (CDU) hatte in seiner Eröffnungsrede an das lateinische Motto über dem Rathauseingang erinnert, das die Hamburger sinngemäß dazu auffordert, die errungene Freiheit zu bewahren. Er beklagte die niedrige Wahlbeteiligung von 63,5 Prozent und zitierte Bürger, die ihren Glauben daran, dass ihre Wahlentscheidung etwas ändern könne, verloren haben. Die Abgeordneten müssten beim Bürger um Verständnis für das Mühselige der Politik werben und versuchen, wieder mehr Legitimation zu gewinnen. „Wir sind nicht um unserer selbst willen hier“, mahnte Röder, dessen Partei in der vergangenen Legislaturperiode zwei Volksentscheide ignoriert hat.
Nach der Sitzung versammelten sich die Abgeordneten zum fröhlichen Beisammensein im Kaisersaal. Für die ernst drein blickende Christiane Schneider von der Linken war das Stelldichein zweitrangig. Sie ließ sich um ein, zwei Ecken des verwinkelten Rathauses führen. Dann fragte sie: „Und wo geht es jetzt zu uns?“