: Tage, die die taz nord erschüttern
Von wegen „Lieber Barnabas!“ – das geheime Tagebuch des Senators a. D. Ronald B. Schill: Eine Erklärung in eigener Sache
Mit tiefer Bestürzung haben wir festgestellt, dass wir Opfer von Fälschern geworden sind. Was wir in der taz nord in den vergangenen Tagen unter dem Titel „Lieber Barnabas!“ veröffentlicht haben, waren nicht, wie wir glaubten, Auszüge aus den geheimen Tagebüchern des früheren Hamburger Innensenators Ronald B. Schill, sondern das perfide Werk eines Fälschers – mehr noch: eines Fälschers in den eigenen Reihen.
Recherchen haben inzwischen ergeben, dass der Redakteur der taz nord, Benno Schirrmeister, mitnichten die vermeintlichen Tagebücher von dem seriösen Devotionalienhändler Roland Schmielau aus Gera für zweihunderttausend Ostmark erworben hat, wie er bislang behauptet hatte. Vielmehr hat Schirrmeister das Konvolut frei erfunden – von A bis Z.
Wir hatten die Echtheit der Tagebücher selbstverständlich vor der Veröffentlichung überprüfen lassen: durch Ernest Piesack, seines Zeichens Professor für Chemie am Institut für Nichtmetallische Werkstoffe der Technischen Universität Clausthal. Inzwischen mussten wir feststellen, dass ein Lehrstuhlinhaber dieses Namens in Clausthal nicht bekannt ist.
Gutachter des Hamburger Staatsarchivs haben dagegen inzwischen die Vermutung bestätigt, dass es sich bei den Schill-Tagebüchern um eine Fälschung handelt. So ist das Papier der in Leder gebundenen Kladden mit einem Sauerstoff-Bleichverfahren gebleicht, das erst 1998 erfunden wurde. Unmöglich können darauf also schon im Jahr 1996 Tagebuchnotizen verfasst worden sein.
Dabei muss man selbstkritisch anmerken, dass der Betrüger auch bei genauerer redaktioneller Überprüfung hätte enttarnt werden können. Das Monogramm auf den vermeintlichen Schill-Tagebüchern besteht bei genauerem Hinsehen nicht aus den Lettern „RBS“ – für Ronald Barnabas Schill –, sondern aus „EBS“: ein Anagramm des Kürzels „BES“, das der Fälscher Schirrmeister in der taz verwendet. Der Fehler fiel nicht auf, da es sich um verschnörkelte Frakturschrift handelt.
Auch inhaltliche Fehler häufen sich: Beispielsweise ist in dem „Tagebuch“ davon die Rede, bei Schills Pistole handele es sich um eine Walter PPK. Tatsächlich besaß der damalige Innensenator jedoch eine 9-Millimeter-Glock 17. Im Text ist zudem von einer Frau Schaffrath die Rede, die zu der Zeit, als die Tagebücher angeblich verfasst worden sein sollten, jedoch nur unter ihrem Künstlernamen als Porno-Aktrice, Gina Wild, bekannt war. Ferner beweisen jüngst aufgetauchte Video-Aufnahmen, dass die in den „Tagebüchern“ immer wieder aufgestellte Behauptung, Schill sei nicht in der Lage Kokain zu konsumieren, irreführend ist.
Wir müssen uns bei unseren Lesern für unseren katastrophalen Irrtum entschuldigen – und bei Senator a. D. Ronald B. Schill. Der Vorfall wird Konsequenzen haben. Ad hoc haben wir unsere Dokumentationsabteilung aufgestockt, um die Fakten künftig noch genauerer Überprüfung unterziehen zu können, bevor wir sie an Sie, werte Leser, weitergeben.
Der Redakteur Benno Schirrmeister, der unser Vertrauen so schändlich missbraucht hat, ist ab sofort für zwei Wochen beurlaubt. Wir erwägen ferner, ihn anschließend zu bestrafen: mit weiteren zwei Wochen Innendienst.JAN KAHLCKE, Redaktionsleiter