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Archiv-Artikel

Steil den Berg hinab

Für die Bielefelder wurde es das stärkste Auswärtsspiel der Saison. Das aber auch nur, weil Hannover 96 am Samstag so schlecht spielte wie lange nicht mehr. Trotzdem eine unterhaltsame Begegnung

AUS HANNOVER LARS GEIGES

Auf dem Rasen bewegen sich 20 Feldspieler. Normalerweise stehen sie dicht beieinander. Sie verschieben, tauschen die Positionen, machen die Räume eng. Geometrisch betrachtet ist es eigentlich bloß ein Viereck, das sich auf diese Weise auf dem Platz hin- und herschiebt. Darin bewegen sich die Fußballer, versuchen Fehlpässe zu vermeiden und lauern auf den Moment. Der moderne, taktische Fußball läuft eben so.

Beim Bundesligaspiel von Hannover 96 gegen Arminia Bielefeld am Sonnabendnachmittag entstand allerdings kein solches Viereck, sondern ein lang gezogener Schlauch von Strafraum zu Strafraum, in dem sich ein Fehler an den anderen reihte. Kurios: Beide Mannschaften haben derart schwach gespielt, dass es irgendwie doch ein gutes Spiel wurde.

Dabei machten die Bielefelder – eingeladen von den formschwachen 96ern – ihr stärkstes Auswärtsspiel der Saison. „Besser können wir auswärts nicht spielen“, freute sich Trainer Michael Frontzek hinterher. Gleich zweimal gingen die Ostwestfalen in Führung: Andre Mijatović (14.) und Christian Eigler (38.) nutzten Fehler in der häufig überforderten 96er-Abwehr.

Für Hannover machten Arnold Bruggink (16.) mit einem Drehschuss sowie der eingewechselte Jiří Štajner per Kopf (56.) die Ausgleichstreffer. Am Ende hätte es auch 5 : 5 stehen können; real kam man auf ein 2 : 2. Dabei gaben die verunsicherten Abwehrspieler den Stürmern immer wieder Chancen. Allein Bielefelds Artur Wichniarek vergab vier gute Gelegenheiten. Für Hannover besaßen die Kopfbälle von Hanno Balitsch (20./45.) und Arnold Jan Bruggink (60.) am meisten Potenzial. Es gab viel zu sehen für die gut 30.000 Zuschauer.

Stimmig waren auch die Randgeschichten. Hannover 96 feierte sein 666. Bundesligaspiel, Arminia Bielefeld seine 500. Partie. Und im Tor der Bielefelder stand von der 22. Minute an Oldie Dirk Heinen, der für den verletzten Rowen Fernandez einspringen musste. Der 37-Jährige wollte seine Karriere eigentlich beenden. In Irland hatte er sich schon zu Ruhe gesetzt. Am Donnerstag flog er nach Bielefeld, um für den Rest der Saison als Torwartvertretung noch einmal bereitzustehen. Dass er gleich ranmusste, quittierte Heinen „mit riesiger Freude“.

Und 96? Unter der Woche schnaubte Trainer Dieter Hecking noch, dass ihm das Anspruchsdenken in Hannover nicht gefalle. Seine Mannschaft würde wie ein Abstiegskandidat behandelt werden. „Die Leichtigkeit ist weg, das sieht jeder“, sagte Hecking nach dem Unentschieden und bittet um Geduld. „Es wird wieder bergauf gehen.“

Derweil werkeln Hannovers Bosse schon fleißig an der Zukunft des Vereines. Mit Mario Eggimann kommt zur nächsten Saison eine Hilfe für die Abwehr. Ihn, den Schweizer Nationalspieler, wollten auch andere renommierte Konkurrenten vom Karlsruher SC loseisen. Unter anderem boten Borussia Dortmund und Hertha BSC mit. Hannover bekam den Zuschlag.

Und auch 96-Chef Martin Kind meldet Gutes: Der Trikot- und Hauptsponsor Tui bleibt dem Klub treu. Bis 2011 hat der Verein den Vertrag mit dem Reiseveranstalter verlängert. Dies sei ein Signal des Vertrauens, hieß es. Gleichzeitig mahnt der erfolgreiche Unternehmer Kind allerdings die Umsatzstärke des Klubs an. Mit 47 Millionen Euro liege Hannover 96 bloß im unteren Drittel der Bundesliga Geldrangliste. Der Verein erwirtschafte keine Gewinne. „Unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten befinden wir uns in einer Art Stagnation“, sagte Martin Kind dem eigenen Stadionmagazin. Zu gern würde Kind durchdrücken, dass sich zahlungskräftige Investoren Mehrheiten an Bundesligavereinen erkaufen und so frische Privatmillionen in die Vereinskassen spülen dürfen. Doch dies ist bisher in der Bundesliga verboten.