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Archiv-Artikel

„Uns ging es noch nie so gut wie heute“

Nach 110 Jahren schließt das Möbelhaus Sander Ende April. Die Unternehmer-Familie hat diesen Schritt seit Jahren vorbereitet durch die Gründung des Einkaufs-Zentrums Sander. Das soll es weiter geben – demnächst mit „Mall“ auf 40.000 Quadratmeter Verkaufsfläche erweitert, und schöner

Von Insa van den Berg

Überall hängen die Schilder mit der Aufschrift „reduziert“. Komplette Esstischgarnituren, Anrichten aus Massivholz, breite Korbsessel werden zu Schnäppchenpreisen angeboten. Es ist Schlussverkauf bei Möbel Sander. Das Einrichtungshaus in Bremen-Oslebshausen schließt 110 Jahre nach seiner Gründung. Doch auch nach der Aufgabe des Möbelverkaufs wird das Sandersche Unternehmen als Investment-Firmengruppe bestehen bleiben. Geschäftsführer Horst Sander (73) und sein Sohn Henrik (35) werden lediglich ihren Aufgabenbereich von der Möbelbranche in den etwas lukrativeren Investmentbereich verlagern.

„Der Betrieb befindet sich nach wie vor in Familienbesitz“, erzählt der Seniorchef stolz. In dritter Generation steht er an der Spitze der mittelständischen Firma, die bis 1972 in Ritterhude ansässig war. Der Firmenboss ist ein knorriger Typ, mit fester Meinung und selbstsicherem Auftreten. Sein gediegenes, in dunklen Farben ausgestattetes Büro steht im deutlichen Gegensatz zu dem lichtdurchfluteten Eingangsbereich des Verwaltungsgebäudes. Er trägt legere Kleidung, beiger Wollpullover und Jeans. Das sei ausnahmsweise, entschuldigt er sich, sonst trüge er selbstverständlich Anzug.

Ursache für das Ende der Möbelhandels, der „Sander“ in Bremen zu einem Markennamen machte, sind keine Liquiditätsprobleme, sondern vielmehr die ausgebliebene Rendite des Möbel-“Gleises“, wie der Seniorchef sagt. Ende April wird der Verkauf von Möbeln eingestellt. Horst Sander sitzt in einem schweren, schwarzen Ledersessel vor dem alten Bauernschrank und ist sich sicher: „In Bremen sind hochwertige Möbel einfach nicht mehr gefragt.“ Ein Wechsel zu einer kostengünstigeren Angebotspalette kam für ihn jedoch nicht in Frage. Der „Mitnahmemöbel-Bereich“ des Unternehmens habe sich nicht etabliert und wurde daher bereits vor drei Jahren schon geschlossen. „Wer immer Butter verkauft hat, tut sich schwer, auf Margarine umzusatteln.“ Er lehnt sich zurück. Schon vor 15 Jahren, sagt Sander, habe er erkannt, dass es in der Möbelbranche Nachfrage-Schwierigkeiten gibt.

Der Möbel-Konzern Kraft plant gleichzeitig für 2009 eine Neueröffnung auf dem ehemaligen Radio-Bremen-Gelände. Sander erklärt dieses Vorhaben mit der Größe des Konzerns. „Da kann man es sich leisten, dass zwanzig Filialen sehr gut gehen und dafür andere weniger.“ Der Plan der Kette, in Bremen einen neuen Standort zu errichten, habe bei ihm keine Angst ausgelöst, aber doch die Entscheidung beschleunigt, sich zukünftig auf Investment zu konzentrieren. Sander faltet überzeugt von diesem Beschluss die Hände vor der Brust.

Nach einem Gutachten des Bausenators und der Einschätzung der Bremer Handelskammer ist der Möbelsektor in der Hansestadt unterdurchschnittlich vertreten und es gebe keine Absatzschwierigkeiten. Der Firmenchef schenkt dem jedoch keinen Glauben. Die Handelskammer betrachtet dies nach seiner Ansicht aus der Kirchturmperspektive. „Von dem Alltag eines Kaufmanns haben die doch keine Ahnung“, sagt er fast trotzig. Auch sonst scheint er kein besonderer Freund der Handelskammer zu sein. Dort habe man zum 100-jährigen Bestehen noch nicht einmal gratuliert, sagt er, ihn schlicht vergessen. Dabei erreichten nur wenige Firmen dies Jubiläum. Er schüttelt darüber nur stirnrunzelnd den Kopf.

Bei dem Konkurrenten Möbel Meyerhoff gibt es laut dem Geschäftsführer Ralf Schröder keine akuten Umsatzeinbußen. Sicherlich seien nach Erhöhung der Mehrwertsteuer die Umsätze eingebrochen, das habe sich aber normalisiert und 2008 mehr als stabilisiert. Das führt Schröder auf eine, im Vergleichzum Möbelhaus Sander, erweiterte Produktbreite zurück. Bei Meyerhoff setze man auch auf die Bedürfnisse eines jungen Klientels. Das spricht Sander weniger an. „Die verfügen sowieso nicht über das nötige Budget, um bei uns zu kaufen“, sagt Sander provokant. Es seien diejenigen, die nun schadenfroh kundtäten, sie hätten schon immer geahnt, dass die Schließung des Ladens bevorstünde. Auf ihre Meinung legt er keinen Wert. Offenkundig sei, dass seine Kundschaft die Auflösung des Einrichtungsgeschäfts bedaure, so Sander. Die Hälfte seiner Käufer seien Stammkunden. Sie hätten insbesondere den guten Service und die fachkundige Beratung zu schätzen gewusst. Seine Mitarbeiter erhielten in den vergangenen Wochen immer wieder Geschenke von Kunden. Ihm sei die Zukunft seines Personals sehr wichtig. So versuche er, dieses an andere Unternehmen weiterzuvermitteln. Die Lehrlinge seien bereits alle mit neuen Stellen versorgt; viele Verkäufer hätten ebenfalls neue Arbeit gefunden. Der Name Sander garantiere Qualität - nicht nur bei Möbeln, sondern auch bei der Belegschaft.

Der Abschied von der Möbelbranche fällt dem Senior Sander nicht leicht. „Da steckt viel Herzblut drin. Ich bin immerhin seit 55 Jahren hier in der Firma.“ Nun konzentriert sich Sander senior aber „mit viel Elan, Geld und Engagement“ auf den Ausbau des 1995 erbauten Sander-Centers. Das riesige Gelände mit bisher 20 Mietern wie Lebensmittelmarkt, Bekleidungsgeschäften, Elektronikladen, Reisebüro und Restaurant soll auf eine Gesamtfläche von 40.000 Quadratmetern erweitert werden. Gemeinsam mit seinem Sohn Henrik verhandelt er nun mit mehreren, bundesweit bekannten Interessenten sowohl über neu geschaffene Geschäftsflächen als auch über die Räumlichkeiten des Möbelhauses. Erfolgssicher präsentiert er die Baupläne für sein Imperium. Den Eingang des Einkaufszentrums sollen zwei geschwungene Säulen bilden, die durch den Namen Sander verbunden werden. Bereits jetzt beherrscht der Familienname auf Schildern, Fahnen und Türen das Gelände. „Wir stehen keineswegs auf den Trümmern unserer Firma, ihr ging es noch nie so gut wie heute“, sagt Horst Sander. Sein Ton ist bestimmt.