: „Besser als Tabletten“
Veränderungen im Lebensstil sind besser als Nahrungsergänzungsmittel, sagt Silke Schwartau von der Hamburger Verbraucherzentrale
SILKE SCHWARTAU, 50, leitet die Ernährungsabteilung der Verbraucherzentrale Hamburg und das bundesweite Projekt „fit im Alter: Gesund essen, besser leben“.
INTERVIEW ELKE SPANNER
taz: Frau Schwartau, die Verbraucherzentralen bieten Ernährungskurse für über 60-Jährige an. Warum richten Sie sich speziell an diese Altersgruppe?
Silke Schwartau: Man kann auch im gehobenen Alter noch viel für seine Gesundheit tun. Leider muss man damit leben, dass sich vieles im Körper ändert. Das Durstgefühl lässt nach, teilweise baut sich Muskelmasse ab und es fehlt an einigen Vitaminen und Mineralstoffen. Wenn man seinen Lebensstil aber geringfügig ändert, kann man sehr viel dafür tun, auch bis ins hohe Alter gesund und munter zu bleiben.
Ernähren sich Senioren ungesünder als junge Menschen?
Viele neigen dazu, zu wenig zu trinken. Gerade im Alter wäre es aber wichtig, jeden Tag 1,5 Liter zu trinken. Ein weiteres Problem ist der Mangel an Vitamin D und Kalzium. Das brauchen wir, damit unsere Knochen bis ins hohe Alter stabil bleiben. Mit einer halben Stunde Bewegung täglich, am besten an der frischen Luft, kann man schon einiges an negativer Auswirkung vermeiden. Sinnvoll ist auch, Milchprodukte und andere kalziumhaltige Lebensmittel zu essen. Wenn man in dieser Hinsicht etwas verändert, kann man auf Tabletten komplett verzichten. Viele Studien zeigen, dass Lebensstilveränderungen viel mehr bringen als Medikamente.
Warum haben gerade Menschen über 60 Kalziummangel?
Weil dann die Hormonversorgung fehlt und ein verstärkter Knochenabbau stattfindet. Das betrifft vor allem Frauen. Mit Bewegung und richtiger Ernährung können sie gegensteuern.
Im Alter hat man ganz andere Ernährungsbedürfnisse?
So ist es. Wir raten deshalb, genügend Kalzium und Vitamin D zu essen. Folsäure gehört auch zu den Vitaminen, die man beachten sollte.
Wie unterscheidet sich das Befinden der Menschen, die Ihre Tipps beherzigen, von dem jener Senioren, die sich täglich Fertigkost liefern lassen?
Es geht ihnen sehr viel besser. Sie erkranken nicht an Diabetes, sie sind wacher. Schwindel und Gedächtnisschwäche sind oft mit unzureichender Flüssigkeitszufuhr in Verbindung zu bringen. Sie haben nicht so viele Gelenkschäden, weil starkes Übergewicht die Gelenke sehr belastet. Und sie sind beweglicher, wenn sie darauf achten, im Alter auch Sport zu treiben. Bewegung ist eine ganz wichtige Prävention.
Hören Sie auch mal: Ist doch jetzt egal, in meinem Alter brauche ich mich nicht mehr gesund zu ernähren?
Ja. Sehr oft sogar. Viele sagen, ich esse seit Jahren jeden Tag mein Stück Schwarzwälderkirschtorte und trinke dazu Kaffee mit Sahne oder schmiere mir dick Butter aufs Brot, und das will ich jetzt nicht mehr ändern. Dann sagen wir: Wir wollen Ihnen die Lebensqualität nicht nehmen. Aber wenn man den Kaffee ab sofort mit 1,5 Prozent fetthaltiger Milch trinkt, ist das keine große Veränderung. Gesundheitlich aber bringt es viel. Oder wenn man sowieso Mineralwasser kauft, kann man sich eines aussuchen, das besonders kalziumhaltig ist, um die Knochen zu unterstützen. Den älteren Menschen, die zu wenig trinken, raten wir, sich morgens eine Kanne Tee zu kochen und sich vorzunehmen, die im Laufe des Tages leer zu trinken.
Viele Menschen glauben, ihr Körper sei über Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel gut versorgt.
Wir sagen ganz klar: Am besten ist es, die Vitamine und Mineralstoffe mit Lebensmitteln zuzuführen. Die nimmt der Körper am besten auf, und es spart Geld. Wer einen Broccoli isst oder eine Möhre, bekommt viele unterschiedliche Vitamine und Mineralstoffe im Verbund. Das ist viel gesünder als eine einzelne Tablette. Der Körper braucht auch Ballaststoffe für die Verdauung. Das bekommt er nicht durch diese Pulver und Tabletten. Nahrungsergänzungsmittel sind oft überdosiert. Es gibt Studien, die aufzeigen, dass sie der Gesundheit sogar schaden.
Die Kurse bieten alle Verbraucherzentralen gratis an. Anmeldung direkt dort oder unter www.fitimalter.de