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Archiv-Artikel

Verfolgte Christen: Kommet zuhauf

Die Union diskutiert über einen möglichen Wandel in der Ausländerpolitik: Hiesige Kirchenvertreter fordern, dass in Nachbarländer geflohene christliche Flüchtlinge aus dem Irak in Deutschland aufgenommen werden

FREIBURG taz ■ Soll Deutschland geflohene irakische Christen hierherholen, um ihnen eine neue Perspektive zu geben? Das fordern katholische und evangelische Kirchenvertreter. In der CDU/CSU wird darüber bereits ernsthaft diskutiert. Die Aktion könnte sogar der Einstieg in eine neue deutsche Flüchtlingspolitik sein.

Schon seit rund zweitausend Jahren leben Christen im Gebiet des heutigen Irak. Unter dem Diktator Saddam Hussein blieben sie relativ unbehelligt. Seit der US-Invasion und dem nachfolgenden Gegenterror hat sich ihre Zahl jedoch von 1,2 Millionen auf rund 600.000 schnell halbiert. In vielen Gegenden bedrohen muslimische Fanatiker die örtlichen Christen mit dem Tod, zerstören ihre Geschäfte und zwingen sie zur Flucht. Im Februar wurde der katholisch-chaldäische Erzbischof von Mosul, Paulus Faraj Rahho, entführt. Vor wenigen Tagen wurde er tot aufgefunden.

Viele irakische Christen haben sich in die Nachbarländer Syrien und Jordanien gerettet. Dort wurden sie zwar als „Gäste“ aufgenommen, haben aber keine Perspektive; unter anderem dürfen sie nicht arbeiten. Der katholische Verein Missio fordert daher schon seit Monaten, irakische Christen nach Europa zu holen. „Mindestens 20.000 Menschen“ könnte Deutschland aufnehmen, konkretisierte Otmar Oehring, der Menschenrechtsbeauftragte von Missio.

Seither wird vor allem in der CDU/CSU über Hilfsmöglichkeiten diskutiert. Bei einer Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung sagte kürzlich der Fraktionsvize Arnold Vaatz: Als „Ultima Ratio“ sei eine Aufnahme von irakischen Flüchtlingen in Europa „sinnvoll“. Allerdings müsse deutlich gemacht werden, dass damit in keiner Weise die Vertreibung von Christen aus dem Irak akzeptiert werde.

Bisher wird die Diskussion in der Union fast nur hinter verschlossenen Türen geführt. Für die Partei ist das Thema heikel. Schien es bisher das Ziel der CDU/CSU zu sein, Flüchtlinge so schnell und zahlreich wie möglich wieder aus Deutschland abzuschieben, würden jetzt Flüchtlinge aus einem anderen Erdteil gezielt nach Deutschland geholt.

In anderen Ländern haben solche Neuansiedlungsprogramme Tradition. In Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR hat die USA 2006 rund 40.000 Flüchtlinge ins Land geholt, Australien und Kanada je 10.000. In Europa beteiligen sich Staaten wie Schweden oder Großbritanien an Resettlement-Programmen. Das UNHCR wirbt darum, dass auch Deutschland künftig ein Kontingent übernimmt.

Insgesamt sind rund 70.000 Flüchtlinge weltweit pro Jahr zu verteilen, weil sie keine realistische Chance auf Rückkehr noch eine Perspektive im momentanen Aufnahmeland haben. Die Chancen, dass sich Deutschland beteiligt, stehen gut. Seit Jahren sinkt hier die Zahl der Flüchtlinge. Nur 19.000 Asylbewerber gab es im Vorjahr, der Höchststand lag bei 438.000 im Jahr 1992.

CHRISTIAN RATH