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Archiv-Artikel

EU-Folter im Kongo

Interne Untersuchung in Schweden bestätigt: Frankreichs Truppen folterten bei EU-Intervention in Bunia 2003

STOCKHOLM taz ■ Einem Gefangenen wird eine Leine um den Hals gelegt. Er wird unter Prügeln und Gejohle quer durch ein Militärcamp gezerrt. Er wird bis auf die Unterhose ausgezogen, bekommt eine Haube über den Kopf gestülpt, und es finden Scheinhinrichtungen statt. So beschreiben schwedische Soldaten, was sich im Rahmen des Einsatzes von EU-Truppen 2003 in der Demokratischen Republik Kongo abgespielt haben soll.

Französisches Militär leitete im Sommer 2003 in Bunia, Hauptstadt des zwischen Milizen umkämpften Distrikts Ituri im Nordosten des Kongo, die vier Monate lang stationierte EU-Eingreiftruppe „Operation Artemis“. Teil davon war eine schwedische Einheit aus Offizieren der Spezialtruppe SSG („Särskilda Skyddsgruppen“, Spezielle Schutztruppe). Acht Stunden habe die Folter eines jungen Kongolesen in Zivilkleidung gedauert, den französische Soldaten am 13. Juli 2003 festgenommen hatten. Er war vor dem französisch-schwedischen Lager Chem Chem, einer verlassenen Schule, aufgegriffen worden, weil er angeblich zu einer Miliz gehörte.

„Er jammerte und wurde fast erdrosselt“, beschreibt ein Offizier den Vorfall: „So behandelt man keinen Gefangenen, das war rassistisch.“ Das anschließende stundenlange Verhör sei „eine Erniedrigung und die reinste Folter“ gewesen, gibt ein anderer schwedischer Offizier zu Protokoll. Diese Behandlung sei erst beendet worden, als der schwedische Befehlshaber persönlich beim französischen Kommandanten interveniert habe. Französische Soldaten hätten den gefesselten Mann daraufhin aus dem Lager geschafft. Nach französischen Angaben sei er freigelassen worden.

Aufgedeckt wurde der Vorfall jetzt aufgrund von Recherchen des Politikmagazins „Uppdrag Granskning“ des schwedischen Fernsehens. Unmittelbar nachdem die Ausstrahlung eines entsprechenden Beitrags bekannt wurde, veröffentlichte das Oberkommando des schwedischen Militärs eine Presseerklärung, in der die Vorwürfe im Wesentlichen bestätigt werden. Man habe am 31. Mai 2007 eine entsprechende Anzeige erhalten, diese mittlerweile untersucht und Zeugen vernommen. Im Dezember 2007 sei die Untersuchung abgeschlossen worden.

„Es hat folterähnliche Methoden gegeben“, bestätigt Stefan Ryding-Berg, Chefjurist des schwedischen Militärs: „Mit größter Wahrscheinlichkeit hat es bei der ‚Operation Artemis‘ im Kongo 2003 Verstöße gegen das Völkerrecht gegeben.“ Europaweit galt bisher die „Operation Artemis“ als Modell eines gelungenen Militäreinsatzes in Afrika. Nach schwedischen Angaben wurden die Militärs der anderen an der „Operation Artemis“ beteiligten Länder – zu denen auch Deutschland gehört – von den Untersuchungen informiert.

REINHARD WOLFF