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Archiv-Artikel

Umweltschutzrecht bleibt zersplittert

Erneute Pleite für Sigmar Gabriel: Der SPD-Bundesumweltminister schafft es nicht, bis zur UN-Biodiversitätskonferenz im Mai das geplante Umweltgesetzbuch vorzulegen. Er kann sich nicht gegen seine CSU-Kollegen Seehofer und Glos durchsetzen

VON JOST MAURIN

Gastgeber Deutschland droht eine Blamage im Vorfeld der Biodiversitätskonferenz in Bonn: Die Bundesregierung wird ihr Ziel verpassen, bis zu dem UN-Treffen einen Entwurf für das erste einheitliche Umweltgesetzbuch zu verabschieden. „Ein Termin bis Ende Mai für den Kabinettsbeschluss ist nicht mehr realistisch“, sagte ein Sprecher von Umweltminister Sigmar Gabriel der taz. Das Mammutprojekt soll Dutzende Einzelgesetze zusammenfassen und nach den Plänen des SPD-Politikers den Umweltschutz stärken.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) gibt den CSU-Ministern Horst Seehofer (Agrar) und Michael Glos (Wirtschaft) die Schuld. Sie verhinderten seit Wochen eine Einigung im Kabinett, erklärte DUH-Geschäftsführer Rainer Baake. Erst wenn die Regierung den Text beschlossen hat, kann sie Länder und Verbände anhören, um das Projekt dann dem Parlament vorzulegen. Diese Anhörung ist vor der UN-Konferenz nicht mehr zu schaffen.

Laut Baake wollten die beiden Bayern durchsetzen, dass zum Beispiel für den Bau einer Autobahn künftig nicht mehr an anderer Stelle Wald aufgeforstet werden muss. Statt zu solchen sogenannten Ersatzmaßnahmen sollten die Verursacher von Umweltschäden lieber zu einem finanziellen Ausgleich herangezogen werden. Baake hält das für „eine moderne Form des Ablasshandels“. Schließlich könnten die Behörden dann sogar ein Interesse daran haben, umweltschädliche Projekte zu genehmigen: „Nach dem Motto: je massiver der Eingriff, den sie genehmigen, desto höher die Einnahmen im Landeshaushalt.“

Speziell Seehofer will auch die Regel der „guten fachlichen Praxis“ im aktuellen Naturschutzrecht kippen. Sie hält Land- und Forstwirte unter anderem dazu an, auf Kahlschlag zu verzichten und an Feldrändern Hecken und Sträucher stehen zu lassen. Für Baake sind das minimale Anforderungen, damit Tiere und Pflanzen überleben können.

Das Agrarministerium wies die Vorwürfe zurück. Zum Inhalt der Diskussionen zwischen den Ressorts wollte sich eine Sprecherin nicht äußern. Das Wirtschaftsministerium war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. In Gabriels Haus hieß es: „Die Abstimmung zwischen den Ministerien ist in der Tat schwierig.“ Man rechne aber damit, dass „sich die anderen Ressorts bewegen“.

Umweltschützer Baake findet das alles „peinlich“. Er erinnert an die wortreiche Strategie der Bundesregierung zur biologischen Vielfalt vom November. Dazu gehört ihr Versprechen, den Artenschwund bis 2010 stark zu verringern und Lebensräume für Tiere und Pflanzen zu schützen. „Jetzt, wo es statt um Visionen um konkrete gesetzliche Schutzvorschriften geht, versagt die Regierung“, so Baake.

Und das kurz bevor Deutschland tausende Experten aus rund 170 Staaten zur UN-Konferenz über Artenvielfalt begrüßt. Die DUH sieht durch den Streit über das Naturschutzrecht sogar die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung als Verhandlungsführerin bei der Tagung gefährdet: Wie kann Deutschland etwa die Entwicklungsstaaten von einem Abkommen zum Schutz der Biodiversität überzeugen, wenn es sich nicht einmal auf seinem eigenem Territorium zu einem nachhaltigen Naturschutz bekennt? Helfen könnte Kanzlerin Angela Merkel (CDU), meint jedenfalls Baake. Sie müsse „die Attacken“ von Seehofers und Glos auf das geplante Umweltgesetzbuch stoppen.