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Archiv-Artikel

Oppositionsführer in Regierungspartei

Der Nolle ist doch eigentlich ein ganz umgänglicher Typ! Dieser Eindruck entstand nicht erst, als man ihn jüngst mit Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) vor dessen Vernehmung im Landesbank-Untersuchungsausschuss schäkern sah. „Ich habe ein gutes Herz“, sagt der 63-jährige SPD-Abgeordnete von sich. Damit meint er aber eher die Zeit, als er noch Leichtathlet war und noch nicht 120 Kilo Kampfgewicht aufs Parkett des Landtags brachte.

Doch in der Sache ist der Druckereiunternehmer mit Beinamen wie „Kampfwalze“, „Chefaufklärer“ oder „Einmannopposition“ vielleicht der ungemütlichste Typ in Sachsen. Auch Milbradt sollte gewarnt sein, denn Karl Nolle sammelt so etwas wie politische Grabsteine. Kurt Biedenkopf, bis 2002 Ministerpräsident, steht auf einem, Christine Weber, einst Sozialministerin und etwas zu leichtfertig im Umgang mit Fluthilfegeldern, auf einem anderen. Was Nolle jetzt Stück für Stück gegen Milbradt aus seinen Informationskanälen fischt, erinnert sehr an die Art und Weise, wie er 2001 das kurfürstliche Gebaren am Hofe Biedenkopf zerpflückte. Mit einem Unterschied: Damals war die SPD in der Opposition, seit 2004 ist sie Koalitionspartner der Union. Nolles Verhalten macht den Sozis fast so viel Kopfzerbrechen wie seinen CDU-Zielscheiben, denn Zügel der Koalitionsdisziplin ließ sich der unerbittliche Enthüller nur anfangs anlegen.

Woher rührt diese Jagdleidenschaft? Er habe „die Sozialdemokratie mit der Muttermilch eingesogen“, sagt Nolle. Was zur Folge hatte, dass ihn die SPD 1986 ausschloss. In Anlehnung an Sartre gründete er daraufhin eine Zeitschrift Moderne Zeiten, die sich der Versöhnung von Ökologie und Marxismus widmete. Erst 1998 trat er der SPD wieder bei. Der Querkopf steckt ihm wohl in den Genen. Der Urgroßvater saß unterm Kaiser, der Großvater flog aus dem öffentlichen Dienst, der Vater war im Widerstand gegen die Nazis. „Der letzte echte Juso“, nannte ihn ein CDU-Mann.

Im Herbst 1989 kam Nolle aus Hannover nach Dresden und gründete mit seiner Frau Christl ein Druckhaus. Seither versucht er mit Mitarbeiterbeteiligung und 11 Prozent Ausbildungsquote die Versöhnung von Kapitalismus und Sozialdemokratie. Die 10-Prozent-SPD in Sachsen war 1999 für seine Verstärkung dankbar. Wer inzwischen eine heiße Information hat, der steckt sie Nolle. Manchem geht er dabei auf den Leim. Und ein Gestalter ist der Kritiker nicht, 2001 scheiterte er als OB-Kandidat in Dresden. Was Substanz hat, macht ihn aber allemal gefährlich. Sogar der von ihm wundgeschossene Biedenkopf soll ihm nur „die Erfüllung seiner parlamentarischen Pflicht“ bescheinigt haben. MICHAEL BARTSCH