Öffentliche „Geiselnahme“

Das Stephaniviertel rund um das neue Radio Bremen-Funkhaus klagt über Verkehrschaos. Der Grund: Eine Baufirma ist pleite. Sender und Behörde sehen sich gegenseitig in Zugzwang

von Jan Zier

Bei Radio Bremen ist die Anarchie ausgebrochen. Genauer gesagt: Rund um das neue Funkhaus im Stephaniquartier. Dort, an der oberen Schlachte, entsteht gerade eines der Vorzeigeprojekte der Stadt, das neue „Medienquartier“, die Verbindung zur Überseestadt. Nun aber, klagen AnwohnerInnen, herrscht dort ein „gesetzloser Zustand“.

Zum Beispiel am Fangturm, Ecke Schlachte: Einfahren sollte dort verboten sein, prinzipiell jedenfalls, denn die kleine Gasse ist eine Einbahnstraße, wie an der Ecke Geeren zu lesen steht. Doch das dazugehörige Schild liegt buchstäblich darnieder – weil die Baufirma, die drum herum baut, seit ein paar Wochen pleite ist.

Beauftragt hat sie Radio Bremen: Der Sender muss die Straßen rund um das neue Funkhaus richten lassen, die für dessen Bau aufgerissen wurden. Die Wege sollten bereits seit März wieder ordnungsgemäß befahrbar sein – doch irgendwann sind die BauarbeiterInnen einfach nicht mehr gekommen. Die Pflastersteine haben sie liegen, den alten Bauwagen stehen lassen, ebenso einen großen Container. Der sorgt jetzt in der engen Großenstraße regelmäßig für Vollsperrungen, klagen einige AnwohnerInnen.

„Tagsüber kommt hier keiner durch“, sagt einer von ihnen, „und nachts hält den Verkehr keiner mehr aus“. Reger Park- und Suchverkehr bevölkert das ehemals beschauliche Stephaniquartier – seit sich herumgesprochen hat, dass dort, in zentraler Lage, freies Parken möglich ist. De facto jedenfalls.

Denn eigentlich dürfen hier nur die AnwohnerInnen ihr Auto abstellen, doch die dazugehörigen Schilder – Verkehrszeichen 290 – sind abgebaut, von der Firma, die die Straßen nicht mehr zu Ende bauen kann.

Wieder aufstellen müsste sie die oberste Verkehrsbehörde, doch die wollte damit abwarten, bis es mit der Baustelle ein Ende hat. Beim Amt für Straßen und Verkehr (ASV) versichert man, „seit Tagen“ schon an einer Lösung zu arbeiten – und verweist im Übrigen auf den Bauherren, Radio Bremen. Der konnte gestern keine Stellungnahme abgeben, verweist aber ansonsten zurück an das ASV – doch der ist, rein rechtlich betrachtet, nur „Straßenbaulastträger“, kam nach eigenen Angaben zur offenen Baustelle also „wie die Jungfrau zum Kinde“. Die Problematik sei aber „hinreichend bekannt“, heißt es aus der Behörde, kommenden Montag solle es wieder weitergehen. Voraussichtlich.

So einfach sei das gar nicht, sagt der Ortsamtsleiter Robert Bücking, schließlich könne man nicht „einfach so“ eine neue Baufirma beauftragen. Zuerst müssten die offenen Rechtsfragen mit dem insolventen Auftragnehmer geklärt werden. Das „Ping-Pong-Spiel“ zwischen ASV und Radio Bremen findet Bücking dennoch „peinlich“ – für beide. Und „unangenehm“ für die AnwohnerInnen, zumal die Bauarbeiten ohnedies „schon ewig“ dauerten. „Das ist eine Geiselnahme von öffentlichem Raum“. Im Stadtteilparlament wird die Sache aber wohl nicht öffentlich verhandelt, mangels eines geeigneten Sitzungstermins.

Die StephanibewohnerInnen wollen in erster Linie ihre Schilder zurück – vor allem jene, die Auswärtigen das Parken vor ihrer Haustüre erlauben. Schon macht die Nachricht die Runde, die Stadt habe ob der Haushaltssperre kein Geld für neue Hinweise. Das aber sei ein „völlig unqualifiziertes“ Gerücht, heißt es im ASV. Man prüfe, ob eine zusätzliche Beschilderung vonnöten sei. Im Stephaniquartier reißen derweil alte Wunden auf: „Sie vergessen uns“, sagt einer, „sie haben uns immer schon vergessen.“