Bahn dominiert SPD-Parteitag

Solange der Bremen nützt, haben die Delegierten auf dem SPD-Parteitag nichts gegen ungeschminkten Bahn-Lobbyismus ihres Landesvorsitzenden Uwe Beckmeyer

Es war ein Wahlparteitag. Rund 30 Positionen waren beim Landesparteitag der SPD zu besetzen. Für keine gab es zwei Kandidaten. Das Spitzenergebnis verschafften die 200 Delegierten dem bisherigen Justizstaatsrat Ulrich Mäurer: 92 Prozent bestätigten ihn als neuen Innensenator. Karin Jöns soll wieder als Europa-Abgeordnete kandidieren.

Bei der Wahl des neuen Landesvorstandes gab es nur eine Überraschung: Uwe Beckmeyer, der Vorsitzende, kam nur auf 68 Prozent der Stimmen, acht weniger als vor zwei Jahren. Eine kontroverse Debatte? Gab es nicht. Der schriftlich verteilte Rechenschaftsbericht habe keinen „Tiefgang“ hatte der Delegierte Jürgen Maly angemerkt. Über den Verlust von 22.000 Stimmen bei der Bürgerschaftswahl könne man nicht einfach hinweggehen. Offenbar doch. kw

von KLAUS WOLSCHNER

Die Deutsche Bahn lässt sich ihre Lobby-Arbeit etwas kosten. Als die „Parlamentarier-Gruppe Bahn“ in der Bremischen Bürgerschaft zu einer Informationsveranstaltung mit Hartmut Mehdorn geladen hatte, da spendierte der Gast des Abends das Buffet und die Getränke. Das war 2006, lange vor der europaweiten Ausschreibung des S-Bahn-Betriebs für Bremen und Umgebung. Die Bahn wollte damals den Senat dazu bewegen, ihr den Zuschlag ohne Ausschreibung zu erteilen. Denn die verlor sie landauf und landab. Weshalb sie alte Loks und Wagen über hat.

Das war es, was die Bremer Abgeordneten dabei stört, erinnert sich Teilnehmer Raimund Kaspar (SPD). Den Bremern sollten kein schlechterer Service geboten werden als anderen. Die Bahn-Parlamentarier treffen sich mehrfach im Jahr, immer wieder sind Vertreter der Bahn AG eingeladen. Ein Emissär der NordWest-Bahn hatte bisher nicht die Ehre.

Mehdorn war damals auch im Rathaus, dreimal sogar. Er winkte gegenüber Bürgermeister Jens Böhrnsen mit der Ansiedlung der Logistik-Zentrale, die auch in Hamburg beim Hafen-Deal als Lockvogel im Spiel war. Aber die Baubehörde bestand darauf, dass bei einem Auftragsvolumen von 40 Millionen Euro ausgeschrieben werden muss. Man solle wenigstens bei der Ausschreibung nicht darauf bestehen, dass neue Wagen genommen werden müssen, hieß es von Seiten der Bahn-Lobbyisten. Mit den abgeschriebenen alten Zügen hätte die Bahn AG einen Kostenvorteil gehabt. In der Ausschreibung wurden aber neue Züge verlangt. Und behindertengerecht sollten sie auch noch sein! Das waren die alten der DB-Regio nicht.

Anfang 2008 fand dann die Ausschreibung statt. Das Angebot der Nordwestbahn war 17 Prozent preiswerter als das der Bahn AG, sie bekam den Zuschlag. Uwe Beckmeyer, Landesvorsitzender der Bremer SPD und gleichzeitig verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Vorsitzender des Beirates der Netzagentur für die Schiene, schrieb daraufhin am 20. 2. 2008 einen drei Seiten langen Brief an den zuständigen Bausenator Reinhard Loske (Grüne). In dem machte er sich die Argumente der Bahn zu eigen und trug sie als eigene Position vor. Auf dem Landesparteitag am Samstag behauptete Beckmeyer, er habe ausdrücklich geschrieben, dass er die ihm zugetragenen Bedenken vortrage. Dies ist aber nicht wahr. Nur in einem Punkt gibt er seine Quelle preis: Die Zahl der Mitarbeiter des Ausbesserungswerkes beziffert er auf 3.000 – „nach Auskunft der Deutschen Bahn AG“.

Was Beckmeyer in seinem Brief vortrug, erläuterte am Samstag der Bahn-Betriebsrat Peter Nowack den Delegierten. Er sorgt sich um die 500 Arbeitsplätze des Ausbesserungswerkes in Sebaldsbrück. Und äußerte den Verdacht, das der Geschäftsführer der niedersächsischen Landesnetz-Agentur, Wolf Gorka, die Ausschreibung zugunsten der NordWest-Bahn manipuliert habe. Der habe „das Ausschreibungsverfahren maßgeblich gestaltet“, schrieb Beckmeyer damals. Und er kritisierte – wie die Bahn – dass der Preis bei der Ausschreibung den Ausschlag geben sollte und nicht „wirtschaftliche Rahmenbedingungen in der Region“. Die niedersächsischen Fachleute hätten mit den Bremern „Katz und Maus gespielt“ rief Beckmeyer den Delegierten zu, „und unsere sind die Maus“.

Die beschlossen daraufhin einhellig den Senat aufzufordern, sich für den Erhalt des Eisenbahn-Instandhaltungswerkes einzusetzen – „mit allen Konsequenzen“, wie Beckmeyer hinzusetzte. Als der Landesvorsitzende dann auch noch eine Resolution gegen die Privatisierung der Bahn AG entschärft wissen wollte mit Verweis auf die schwierige Lage des Bundesvorsitzenden Kurt Beck, da gab es deutlich Kontra: Wichtiger als dessen „Wohlbefinden“ sei es, dass die Mobilität nicht dem privaten Profit-Kalkül unterworfen würde, meinte ein Delegierter. Die erdrückende Mehrheit stimmte gegen Beckmeyers dringenden Appell – und dafür, dass die SPD einer Privatisierung des Bahnverkehrs nicht ohne Parteitagsbefassung zustimmen dürfe.