: Redaktionelle Unabhängigkeit
betr.: „Degradierung ohne Opfer“, taz vom 9. 4. 08
Ihr beschwichtigender Artikel von Torsten Landsberg in Sachen Politische Literatur im Kölner Deutschlandfunk verkennt gründlich das Problem, über das zu berichten er vorgibt. Es handelt sich da keineswegs um „rechthaberische“ und „unbeliebte“ Redakteure, denen man deshalb die Kompetenz verweigern muss. Es geht dabei schlicht um einen strukturellen und politischen Konflikt in einer öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt, die den Gebührenzahlern verschiedenster Couleur verantwortlich ist und weder in Berlin regierenden noch opponierenden Parteien noch gar den Service-Gelüsten irgendwelcher mehr oder weniger privaten Einflusserpresser nachzugeben hat. (Übrigens ist die Werbefreiheit des Deutschlandradios ein Privileg, mit dem man wuchern kann!)
Die gesellschaftskritischen Spielräume im öffentlich-rechtlichen Rundfunksystem (zumal im Rundfunk, im Gegensatz zum Fernsehen) sind größer, als sie oft wahrgenommen werden – auch von den Redakteuren. Die Hierarchen des Senders haben sie nicht einzuschränken, sondern auszuweiten. Ihre Aufgabe ist es, Redakteuren Unabhängigkeit zu ermöglichen in der täglichen Praxis und ihnen den Anpassungsdruck sowohl von außen als auch von innen zu nehmen. Dazu gehört jene eigene Unabhängigkeit, verbunden mit dem Risikobewusstsein im leitenden Job, den sie offensichtlich vermissen lassen. Unabhängigkeit ist ein Credo, welches gerade auch im Ressort Politische Literatur, wo Analyse gefragt ist und Urteil, zum Kompetenz-Kriterium wird und selbstverständlich auch zu Konflikten führen kann, wie sie in der präsentierten Literatur und in der funktionierenden Gesellschaft demokratischerweise verhandelt werden. Im Fall der Politischen Literatur wird diese Unabhängigkeit gefürchtet, und die beiden Redakteure, die sie exekutieren (und die ich aus gemeinsamer Zusammenarbeit kenne), sollen diszipliniert werden, indem man sie kaltstellt. Das geschieht dann noch unter Verweigerung jener unabdingbaren Transparenz, die den Sender erst tatsächlich öffentlich-rechtlich machte und das interne Kumpanei-Milieu als Abhängigkeitssystem bloßstellte. HEINZ KLUNKER,
Leiter der Abteilung Politisches Feature und Politische Literatur
im Deutschlandfunk 1977–1996, Berlin
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