: Aber sein Stern sank schnell
Der Wuschelhaar-Folksänger Adam Green war Mitbegründer der Antifolkszene. Dann entschied er sich für eine Solokarriere. Vor zwei Jahren noch Liebling der Berliner Massen, verspielte Green im Huxleys den letzten Kredit bei seinen Fans
VON CHRISTIANE RÖSINGER
Eine unaufgeregte Stimmung lag am Dienstagabend über Huxleys Neuer Welt in der Hasenheide. Der New Yorker Singer-Songwriter Adam Green war angekündigt und hatte gleich noch zwei Vorbands mitgebracht.
Und so hörten sich die apathischen Zuschauer zunächst einen typischen Antifolker, den arrogant-verlotterten Liedermacher Cody Turner an.
Mehr Interesse weckte dann Laura Marling – ihre Stimme erinnerte an Dido und die Sängerin der irischen Band Cranberries, Dolores O’Riordan. Marlings Darbietung ging allerdings zu sehr ins Country-Folkige. Als der Star des Abends sich dann aufreizend viel Zeit ließ und erst Stunden nach dem angekündigten Konzertbeginn auf die Bühne kam, war die Luft endgültig raus. Schon im Vorfeld war das Konzert nur auf geringes Publikumsinteresse gestoßen, so blieb das Huxleys halbleer.
Klar, die Antifolkpuristen verachten ihn schon seit Jahren, seit dem Ende der Moldy Peaches. Seine Solokarriere wurde von Anfang an angefeindet. Und leider hat Green hintereinander drei – bei aller Liebe sehr schwache – Alben veröffentlicht. Trotzdem war er vor zwei Jahren noch Liebling der Berliner Massen, spielte zweimal hintereinander im vollen Tempodrom und wurde auf Schritt und Tritt von der „Abendschau“ verfolgt. Adam Green schien der legitime Nachfolger Harald Juhnkes zu werden, aber sein Stern sank schnell. Das aktuelle Album „Sixes and Sevens“ ist zwar mit Chören und dicken Arrangements nicht ganz so langweilig wie die Vorgänger, aber wirklich gute Stücke finden sich darauf nicht. Auf die Bühne kommt er im Huxleys mit seiner alten Band und zwei Sängerinnen, die für ein wenig Motown-Sound sorgen. Wie gewohnt hampelt er sinnlos herum, vollführt seine alten und neuen Deppentänze.
Das Lustige, Ironische, Anarchistische seiner Bühnenshow ist aber zur bloßen Pose geworden. Er war bei Radio Eins, es war fantastisch, erzählt Green, und heute Mittag hat er ein paar Babys gegessen. Das sind die langweiligen Verrücktheiten des Adam Green, die man ja schon zur Genüge aus seinem Suhrkamp-Lyrikband kennt. Adam, der in den letzten Jahren gerne tiefsitzende Hosen trug und beim Bücktanz zu ausgiebig seine A-Falte zeigte, hat sich nun einen Gürtel gekauft und stellt ein anderes prekäres Körperteil zur Schau: Seinen Bauch, der sich nun nicht mehr im Übergang von Babyspeck zu Bierbauch befindet.
Leider hat er sich neben einer betrunkenen Körpersprache und seinem politoxikomanen Gesichtsausdruck auch noch ein vollends hysterisch-affektiertes Lachen angewöhnt und wirkt so immer mehr wie ein degenerierter Höfling aus einer Büchner-Komödie. Aber haben wir Fans der ersten Stunde dieses Ungeheuer nicht auch miterschaffen? Es ist traurig. Der nur halb gefüllte Raum lässt immerhin dessen architektonische Schönheit stärker wirken, und auf den bequemen Lederbänken kann man sich ein bisschen ausruhen und die Bühnenshow verfolgen. Betrunkene Mädchen suchen Anschluss, fragen, wie lange das Konzert noch dauert und was ein Taxi nach Eberswalde kostet. Dabei wird es doch bei den alten Stücken gerade ein bisschen schön.
„Bluebird“, das Lied über den vergnüglichen Selbstmord, das geniale „Dance with me“! Bei „Jessica Simpson“ wird man dann endgültig sentimental. Erinnerungen an Adam Greens ersten Auftritt im Musikfernsehen werden wach. Selige Zeiten, als man noch gespannt Viva 2 verfolgte, Charlotte Roche für die Hoffnung des Musikfernsehens hielt und sich in die genial-einfachen Stücke des Adam Green verliebt hatte. Seine Stimme ist immer noch außergewöhnlich tief und schön, und egal wie betrunken er auf der Bühne wirkt, er war immer ein toller Sänger, bei dem jeder Ton sitzt. Vielleicht ist es ja auch nur ein Betrunkenspielen, eine bloße Übersprungshandlung eines schüchternen jungen Mannes? Zum Schluss wird er ganz weich, erzählt freimütig, wie schlimm es tags zuvor in der Schinkelhalle in Potsdam war – disgraceful – und wie schön es hingegen in Berlin ist. Ach, armer Adam! Was soll nur aus dir werden!
Selbst wenn er sich jetzt mal so richtig Zeit nehmen und in drei bis vier Jahren mal eine zur Abwechslung überraschend gute CD aufnehmen würde – er hat seinen Höhepunkt längst überschritten. Vielleicht sollte er mal eine größere Pause einlegen, am Schicksal innerlich reifen, die pubertären Albernheiten ein wenig ablegen und eine wirklich Sängerpersönlichkeit werden? Noch ist er jung.