Chronologie der Zwickauer Zelle: Unter den Augen der Ermittler
Die Sicherheitsbehörden hätten die Taten des Nazi-Trios wohl verhindern können. Trotz Hinweisen konnte die Gruppe ungestört morden.
BERLIN taz/dpa | Der Untersuchungsbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz, aus dem der Spiegel zitiert, bringt neue Erkenntnisse, die zeigen, wie dicht die Fahnder dem Nazi-Trio auf den Fersen waren. Dreizehn Jahre staatliches Versagen:
Herbst 1997: Der Thüringer Verfassungsschutz findet heraus, dass die drei Neonazis Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe in einer Garage in Jena Bomben basteln.
26. Januar 1998: Polizisten durchsuchen die Bombenwerkstatt, finden Rohrbomben und 1,4 kg Sprengstoff. Das Trio taucht unter, der Verfassungsschutz baut über den V-Mann "Otto" einen direkten Kontakt zu den drei Terroristen auf. "Otto" ist Tino Brandt, der Chef der Neonazi-Gruppierung Thüringer Heimatschutz.
Sommer 1998: Es gibt einen Fluchtplan des Trios nach Südafrika. Der Verfassungsschutz nimmt Einfluss und will in Bukarest die Polizei zugreifen lassen. Der Plan platzt.
Frühjahr 1999: Spätestens jetzt vermuten die Fahnder die Gesuchten im Raum Chemnitz.
6. Oktober 1999: Bei einem Überfall auf eine Postfiliale in Chemnitz erbeuten die Neonazis mehrere tausend Mark. Es ist der erste von insgesamt mindestens 14 Banküberfällen.
26. April 2000: Die Verfassungsschutzämter Thüringen und Sachsen sowie das sächsische LKA starten die "Operation Terzett". Über vier mutmaßliche Unterstützer wollen sie das Trio festsetzen.
6. Mai 2000: Laut Spiegel fotografieren Verfassungsschützer in Chemnitz einen Mann, der wie Böhnhardt aussieht. Doch es dauert lange, bis eine Behörde die Informationen an die nächste weitergegeben hat. Das sächsische LKA erfährt erst am 7. Juli davon. Die Spur verläuft sich.
9. September 2000: Die Neonazis erschießen in Nürnberg den Blumenhändler Enver Simsek. Der mutmaßlich erste Mord einer deutschlandweiten Serie, die insgesamt zehn Menschenleben kostete. Das letzte Opfer am 25. April 2007 in Heilbronn ist die Polizistin Michele Kiesewetter.
4. November 2011: Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt überfallen eine Bank im thüringischen Eisenach und fliehen. Polizisten stoßen in einem ausgebrannten Wohnmobil auf ihre Leichen.
11. November 2011: Die Fahnder präsentieren der Öffentlichkeit die Verknüpfung zwischen den Bankrauben und der Mordserie. Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen die mutmaßliche terroristische Vereinigung "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU).
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Lang geplantes Ende der Ampelkoalition
Seine feuchten Augen
Telefonat mit Putin
Falsche Nummer
Israel demoliert beduinisches Dorf
Das Ende von Umm al-Hiran
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
BSW-Gründungsversammlung in Bayern
Es geht um Selenskyj, nicht um Söder