ITALIENS LINKE IST AN IHREN INNEREN WIDERSPRÜCHEN GESCHEITERT
: Vom Vorbild zum abschreckenden Beispiel

Vernichtender kann eine Niederlage kaum sein. Auf dem Papier war Italiens radikale Linke vor den letzten Wahlen für über 10 Prozent gut – konnte dann aber mit gerade 3 Prozent keinen einzigen Parlamentssitz gewinnen. Und das in einem Land, in dem noch vor wenigen Jahren Millionen Menschen auf die Straße gingen, gegen den Irakkrieg, gegen Berlusconi, gegen die Einschränkung des Kündigungsschutzes. Jetzt aber wollte das Gros der linken Wähler nichts mehr wissen von Rifondazione Comunista und den drei anderen in der „Regenbogenliste“ vereinten Bündnispartnern.

Es ist die Strafe für zwei Jahre Mittun in Prodis Regierungskoalition. Praktisch alles hatte die radikale Linke abgenickt, was die Regierung auf dem Feld der Wirtschafts- und Sozialpolitik beschloss. Zugleich hatte sie noch im letzten Oktober eine mächtige Demo gegen die Beschlüsse zur Rentenpolitik organisiert. Diese Schizophrenie verziehen die Wähler nicht und marschierten ab zu Walter Veltronis gemäßigt linker Demokratischen Partei oder blieben gleich zu Hause.

Die Katastrophe wurde noch größer, weil die Linke nichts tat, um die Wähler zurückzuholen. Die Einheitsliste war ein purer Verzweiflungsakt, geboren aus der Not, die Vierprozenthürde zu überwinden, da Walter Veltroni sich einer neuen Koalition mit der radikalen Linken verweigerte. So wurde der scheinbare „Aufbruch“ zum Beweis des Gegenteils: Rifondazione und die anderen hatten sich eigentlich im breiten Prodi-Bündnis wunderbar eingerichtet und bloß deshalb Neues gewagt, weil ihnen nichts anderes übrig blieb.

Auch jetzt fehlt jedes Konzept, wie die Linke in Zukunft die radikalen Positionen ihrer Wählerschaft aufnehmen und dennoch ihre Koalitionsfähigkeit erhalten kann. Stattdessen befassen sich die gescheiterten Anführer mit wechselseitigen Schuldzuweisungen, sind sie auf dem besten Wege, ihre dezimierten Kräfte in weiteren internen Grabenkämpfen endgültig aufzureiben. Italiens radikale Linke galt noch bis vor wenigen Jahren als Vorbild in Europa; jetzt droht sie zum Modell gelungener Selbstzerstörung zu werden. MICHAEL BRAUN