: Udo Nagel lässt grüßen
Polizei verbietet die geplante Route der Protestdemo gegen den Nazi-Aufmarsch in Barmbek. Auch die revolutionäre Maidemo wurde mit unverhältnismäßigen Auflagen belegt
VON PETER MÜLLER
Trotz der Forderung von DGB- Chef Erhard Pumm, Bischöfin Maria Jepsen und Erzbischof Werner Thissen sowie der Bürgerschaftsfraktion der Linkspartei, den für den 1. Mai in Barmbek-Nord geplanten Neonaziaufmarsch zu verbieten, sieht die Innenbehörde keine Handlungsmöglichkeit. „Damit würden wir vor Gericht keinen Bestand haben“, sagt Innenbehörden-Sprecher Ulrike Sweden.
Die Verbots-Befürworter hatten argumentiert, dass der Marsch verboten werden kann, weil zwei der Hauptredner – der Neonazi-Anwalt und NPD-Chef Jürgen Rieger sowie der Autor Reinhold Oberlercher – bereits wegen Volksverhetzung verurteilt sind. Der novellierte Strafparagraf der „Volksverhetzung“ biete diese Möglichkeit. „Die Anmelderin ist selbst nicht vorbestraft“, sagt Behördensprecher Sweden. Außerdem sei entscheidend, ob die Volksverhetzung bei einer Demonstration stattfand.
Verboten worden ist am Dienstag allerdings die von den Nazigegnern angemeldete Route durch Barmbek-Nord. Dem „Bündnis gegen Rechts“ ist eine Ersatzroute zugewiesen worden. Diese geht um 10 Uhr vom Wiesendamm aus nach Steilshoop. Nicht einmal den in den Kooperationsgesprächen in Aussicht gestellten Schlenker zum Hartzlohplatz in Barmbek-Nord soll es noch geben. „Wir lassen uns die Demo durch die ‚Fuhle‘ nicht nehmen“, empört sich Bündnissprecher Wolfram Siede. „Die Versammlungs- und Bewegungsfreiheit wird wiederholt unverhältnismäßig eingeschränkt“.
Deshalb hat am Dienstag die Anwältin Cornelia Ganten-Lange einen Eilantrag vorm Verwaltungsgericht (VG) eingereicht. „Ich gehe davon aus, dass eine Entscheidung Mittwochmittag vorliegt“, sagt Ganten-Lange. „Wer auch immer verliert wird das Oberverwaltungsgericht anrufen.“ Da die polizeiliche Verfügung so spät kam, ist ein Gang zum Bundesverfassungsgericht nicht mehr möglich.
Empörung herrscht auch bei den Demo-Anwälten Britta Eder und Dirk Audörsch, da sich das VG weigert, für den 1. Mai einen „richterlichen Eildienst“ einzurichten. Damit sei den Teilnehmern ein „effektiver Rechtsschutz“ genommen, so Audörsch. Dadurch müsse damit gerechnet werden, dass es in großer Zahl zu rechtswidrigen Aufenthaltsverboten komme, die erst im Nachhinein getadelt werden können. Zu solchen Verboten würde es vor allem dann kommen, wenn die Nazigegner das Angebot der Kneipen und Cafés in Barmbek-Nord wahrnehmen, sie während des Naziaufmarsches zu besuchen. GALierin Antje Möller bezeichnet das Verhalten des Gerichts als „schwer nachvollziehbar.“
Auch mit der revolutionären 1. Mai-Demo hat sich am Dienstag das VG befassen müssen. Das „Hamburger Bündnis für einen revolutionären 1. Mai“ hat den eigentlich traditionell am 1. Mai stattfindenden Marsch auf heute um 19.30 Uhr am Alma Wartenberg Platz vorverlegt, weil die Demo sonst mit den Protesten gegen den Naziaufmarsch in Barmbek kollidiert wäre. Neben den in Hamburg schon üblichen Auflagen, die das Tragen von Transparent mit einer Länge von mehr als 1,50 Meter an den Seiten sowie das Hüpfen und Springen untersagen, ist auch das Mitführen von Flaschen und Dosen sowie das Tragen von Stahlkappenschuhen verboten worden. Zudem muss ein Lautsprecherwagen-Verantwortlicher benannt werden. Die Auflagen sind „ein unverhältnismäßiges Abschiedsgeschenk von Senator Nagel“, sagt GALierin Möller. Denn gleichzeitig machte die Polizei deutlich, beim geringsten Verstoß Teilnehmer in Gewahrsam zu nehmen und den Leiter strafrechtlich zu verfolgen.
Gegen diese zusätzlichen Auflagen hatte der Anwalt Marc Meyer einen Eilantrag gestellt, der vom VG ablehnt worden ist. Nun hat er das Oberverwaltungsgericht angerufen. „Wie soll ein Versammlungsleiter sicherstellen, dass bei 1.000 Teilnehmern nicht jemand eine Cola-Dose dabei hat“, so Meyer. „Und dann soll er auch noch bei jedem die Schuhe kontrollieren.“ Dabei geht die Polizei in der Verfügung selbst davon aus, dass es zu keiner Gewalt kommt: Dem Staatsschutz lägen keinerlei Erkenntnisse vor, die für einen gewalttätigen Ausgang sprechen. Trotzdem zeigten die Erfahrungen, so die Polizei weiter, dass derartige Versammlungsteilnehmer vom „Versammlungsleiter nicht steuerbar“ seien. „Mit derartigen Auflagen werden alle Teilnehmer unter einen generalverdacht gestellt“, schimpft Meyer.
Auch die Euromayday-Veranstalter haben umgeplant: Der Euromayday beginnt am 1. Mai bereits um 11.30 Uhr am Millerntorplatz. Ein bunter Treck fährt dann nach Kampnagel, wo ein „Parcour Precaire“ aufgebaut wird. Trotz der DGB-Kundgebung auf dem Spielbudenplatz und dem ökumenischen Gottesdienst rufen der DGB und die Kirchen weiter zur Teilnahme an den Protesten in Barmbek auf. „Alle Demokraten müssen Flagge zeigen“ sagt DGB-Chef Pumm und Erzbischof Thissen ergänzt: „Es ist sonnenklar, dass entschiedener Widerstand dort notwenig ist, wo öffentlich rassistische Positionen vertreten werden.“