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Archiv-Artikel

Der Humorarbeiter

Seit über 30 Jahren tingelt Fips Asmussen mit alten Kalauern und schlüpfrigen Zoten durch die Republik. Er hat sieben Millionen Platten verkauft – aber als Fan gibt sich kaum jemand zu erkennen. Gerade ist der Urvater deutscher Comedy 70 geworden – wahrscheinlich, denn über sein Alter redet er nicht

Hinter der Bühne kämpft Asmussen um seinen Ruf. Kein Wunder: Er ist erfolgreich, aber kaum einer outet sich als Fan

Von JAN FREITAG

Hänigsen, Schüblingen, Dollbergen – aus dem halben Landkreis sind die Ortsverbände des Seniorenverbandes SOVD ins Landhotel Fricke gekommen, um Witze wie diesen zu hören: „Ich brauch’ Viagra ja nur, um nachts nicht aus dem Bett zu rollen.“ Ein Johlen geht durch die wohlgeordneten Tischreihen, bis das 300-teilige Kaffeeservice klappert. Fips Asmussen hat sein Publikum fest im Griff. „Ich liebe die Frauen“, legt er nach, „nicht alles, was ein Loch hat, ist auch kaputt.“ Der Festsaal tobt.

Neunzig Minuten reißt der dienstälteste deutsche Comedian im niedersächsischen Sievershausen Zoten wie diese, eine nach der anderen. Das einzig Weibliche an Renate Künast sei ihre Legislaturperiode. Ernst Eicke stemmt sich vor Lachen aus dem Stuhl und lässt sich wieder sacken. Der SOVD- Kreisvorsitzende hat Asmussen in die Provinz gelotst, um die Generation 60-plus zu bespaßen. Das passt. Asmussens Kalauer sind kaum jünger. Der Alleinunterhalter ist eine Art Godfather der Stand-up- Comedy. „Neulich im Bett hat meine Frau gestöhnt, ich soll was Dreckiges zu ihr sagen“, ruft er durchs Landhotel Fricke. „Sag’ ich: Küche, Bad, Klo.“ Kaum zu glauben, dass die Menge tobt, aber sie tut es. Das ist doch mal eine kleine Geburtstags-Eloge wert.

Denn Fips Asmussen wird diese Woche 70. Vermutlich, der Hamburger Jung spricht nicht über sein Alter. Aber die Hälfte seines Lebens ist Rainer Pries, so sein bürgerlicher Name, ein wandelnder Herrenwitz. Auch wenn er das bestreitet. „Ich bin Humorist, Kabarettist, kein Witzeerzähler“, knurrt er mit Zigarre im Mund im Raucherraum des Hotels. Hinter der Bühne kämpft Fips Asmussen verbissen um seinen Ruf. Kein Wunder: Er ist erfolgreich, aber kaum einer outet sich als Fan. Er hat sieben Millionen Platten verkauft, doch sie stehen im Schrank meist hinten. Er ist der Stichwortgeber vieler Komiker, nur bekennen sie sich nicht dazu. Die Tragik seiner Karriere erinnert an „Tutti Frutti“. Der RTL-Striptease hatte enorme Quoten, nur gesehen haben wollte es keiner. Das war vor fast 20 Jahren, als Asmussen Goldene Schallplatten sammelte.

Und manchmal scheint es, er stecke dort fest: Die selbe Dackelfrisur, nur ergraut, die gleichen Lachfalten, nur tiefer, das übliche Repertoire, nur neu verpackt. „Wer sagt, ich würde immer dieselben Witze reißen“, poltert er, „der hat noch keine zweite Show von mir gesehen.“ Auf der Bühne erzählt er kurz darauf, jetzt bei den Wandervögeln zu sein. Nicht bei denen, die wandern, bei den anderen. Da lacht das Landei.

Doch zwei Tage später steht er im Schmidt’s Tivoli auf der Reeperbahn und auch hier lacht der ausverkaufte Saal Freudentränen. Besonders, wenn Asmussen politisch unkorrekt wird. Wenn er Rex Gildo beidseitig befahrbar nennt, Neger- oder Stottererwitze reißt und Angela Merkel zum Mann erklärt. Asmussen sieht darin nichts Diskriminierendes. „Wir sind doch alle Minderheiten“, sagt er nüchtern. Dass er so oft Schwule und Ausländer verulkt, kann also nur seinem Instinkt, wie er es nennt, geschuldet sein, „zu erspüren, was im Publikum ankommt“. Dessen Applaus sei seine Droge. Drei Stunden schießt er sein Programm in den Saal – ohne Spickzettel, ohne zu trinken, ohne Brimborium außer einem Stuhl, zwei Tischen und seinem Mikro. Das unterscheidet ihn von Mario Barth, dem derzeitigen Superstar der Branche.

Asmussen ist ein Purist, der mehr mit Worten als Gesten agiert und sich auch für Schützenhäuser nicht zu schade ist. Wohler fühlt er sich vor 600 Großstadtzuschauern wie in Hamburg. Und sie fühlen sich wohl mit ihm, auch wenn manch einer der Jüngeren gelegentlich innehält, bestürzt vom eigenen Gelächter über Schwiegermütterkamellen und Sexismen. Aber sagte nicht der Komiker Robert Gernhardt, ironisches Lachen sei so unmöglich wie ein ironischer Orgasmus? Wer lacht, findet lustig. Basta! Fips Asmussen selbst findet übrigens nicht viel komisch. Die Scheibenwischer-Garde vielleicht. Beim Rest komme er „mit dem Ignorieren kaum nach“.

Er scheint völlig mit sich im Reinen, ein Rentner ohne Ruhestand, der sein Hobby zum Beruf gemacht hat und seinen Beruf zum funktionierenden Geschäft. Einen Auftritt in Salzgitter hat er unlängst 24 Stunden vor Einlass abgesagt. „Weil ihm 70 Karten im Vorverkauf nicht reichten“, meint der Betreiber und verweist genervt auf Asmussens Vertrag, der die passende Ausstiegsklausel enthält. Auch Sievershausen ist für ihn ein Pflichttermin. Er verlässt ihn grußlos, ohne Finale. Noch kurz etwas Eigenwerbung für CDs und Bücher, die seine Frau im Vorraum verkauft, während es drinnen Mettwurstbrote gibt, dann geht’s über die neue Heimat Sachsen-Anhalt in seine alte. Asmussen sieht sich als Humor-Arbeiter und Komik als Ware. Er handelt mit Antiquitäten.