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Archiv-Artikel

Kein Patent auf Leben!

Mit der Patentierung von Broccoli gelingt es der Saatgutindustrie, einen Präzedenzfall zu schaffen

Die Bauern verlieren das Recht, ihre eigene Ernte auszusäenSaatgut muss auch in Zukunftfrei zugänglich sein

Bislang wurden vor allem gentechnisch veränderte Pflanzen patentiert. Seit einigen Jahren melden Forschung und Unternehmen aber zunehmend auch Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere an. Dies verschärft die Auswirkungen von Patenten für Bauern, da sie das Recht verlieren, Saatgut aus der eigenen Ernte wieder auszusäen. Ebenso verlieren Züchter den freien Zugang zu dem patentierten Saatgut.

Die Folgen der Patente auf Saatgut haben vor allem Farmer in den USA erfahren, die zu Hunderten wegen angeblicher Verstöße gegen Lizenzen an patentiertem Saatgut von Monsanto juristisch belangt wurden. Aber auch in Indien haben die Lizenzen auf BT-Baumwolle die Saatgutkosten derart erhöht, dass gerade Kleinbauern nach der Ernte nicht wissen, wie sie die Kredite für den Saatgutkauf zurückzahlen sollen. Bei der Einführung von BT-Baumwolle in Burkina Faso werden die Kosten durch die Lizenzen im Vergleich zu konventionellem Saatgut mehr als das 12fache betragen. Gerade in Entwicklungsländern sind Kleinbauern darauf angewiesen, ihr eigenes Saatgut züchten, erhalten und tauschen zu können. Seit 2002 ist konventionell gezüchteter Brokkoli in Europa patentiert. Obwohl Brokkoli im Vergleich zu Soja und Baumwolle keine Bedeutung auf den Weltagrarmärkten hat und auch nicht zentral für die Ernährungssicherung in Entwicklungsländern ist, ist er in Europa ein Präzedenzfall. Am Europäischen Patentamt läuft derzeit ein Verfahren vor der Großen Beschwerdekammer – dem höchsten Gremium für Streitfragen bei Patenten – ob das Patent (EP 1069819) auf konventionellen Brokkoli den Rechtsgrundlagen des Europäischen Patentübereinkommens (EPA) entspricht oder nicht. In den nächsten Monaten wird entschieden, wie das EPA zu interpretieren ist. In Artikel 53 b heißt es, dass „im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren“ von der Patentierbarkeit ausgenommen sind. Aus diesem Anlass wurde Anfang 2007 die Koalition gegen Patente auf konventionelle Pflanzen ins Leben gerufen. In einem globalen Aufruf haben wir (Misereor?) uns ans Europäische Patentamt gewandt. Über 50 Bauernorganisationen aus aller Welt von Peru über Italien bis Indien sowie weitere 130 NGOs haben den globalen Aufruf unterzeichnet. Darin wird gefordert: „Wir setzen uns dafür ein, dass auch in Zukunft Landwirte, Forscher und Züchter einen freien Zugang zu Saatgut und genetischen Ressourcen haben. Denn nur auf diese Weise ist es möglich, die Ernährungssicherheit – auch für die kommenden Generationen – sicherzustellen. … insbesondere fordern wir Politiker und Patentämter auf, rasch zu handeln, um zu verhindern, dass Patente auf konventionell gezüchtete Pflanzen und Tiere vergeben werden sowie auf Erbgut-Abschnitte, die in konventionellen Züchtungsmethoden verwendet werden; ebenso wenig dürfen Verfahren zur konventionellen Züchtung von Pflanzen und Tieren patentiert werden. Wir fordern die Saatgut-Industrie auf, keine derartigen Patente anzumelden.“ Weitere Informationen unter www.no-patents-on-seeds.org Der globale Aufruf und Unterschriftenlisten für Einzelunterzeichner sind dort in Englisch, Deutsch, Französisch und Spanisch zu finden.

MUTE SCHIMPF, Referentin für Biologische Vielfalt bei Misereor