: Bubba vs. Obama
Wechseljahr 2008 (14): Wie fühlt sich Amerika? Dagmar Herzog über die Verfasstheit einer Changing Nation
Es ist vorbei. Mathematisch gesehen – es sei denn, Barack Obama macht noch irgendeinen katastrophalen Fehler – kann Hillary Clinton einfach nicht mehr die Nominierung der demokratischen Partei gewinnen. Trotz außerordentlicher Anstrengung seitens der Medien, die Clinton unter die Arme gegriffen und unentwegt in den letzten Wochen darauf gepocht haben, dass Obama kein Gespür habe für die Schwierigkeiten des konservativ veranlagten, wirtschaftlich verunsicherten weißen Arbeiters (des sogenannten „Bubba“). Und nun hat Obama mit 14 Prozent Abstand in North Carolina gewonnen und Clintons vorausgesagten Triumph in Indiana durch nur zwei Prozent Abstand auf seine Konkurrentin schmälern können.
Die einflussreiche Zeitschrift Newsweek hatte auf dem Cover den erst kürzlich erfundenen, aber nun massiv aufgebauschten Grundkonflikt innerhalb der demokratischen Partei drastisch ins Bild gesetzt: Auf der einen Seite ein knallgrüner Rucola-Salat, gegenüber ein überfließender Bierkrug. Der Rucola (über dessen steigende Preise Obama sich einst unvorsichtigerweise beklagt hatte), gilt in USA als höchst prätentiös, als etwas, das viele Amerikaner gar nicht mal kennen, geschweige denn je geschmeckt haben. Der Bierkrug hingegen gilt als Symbol für den durch einen zu langen und nicht erfüllenden Arbeitstag gestressten, aber sonst eben grundsätzlich unkomplizierten Durchschnittsmann.
Dazu kamen neue Deutungen von Männlichkeit: Der demokratische Meinungsmacher und Clinton-Unterstützer James Carville bemerkte frech, wenn Clinton Obama „einer ihrer Hoden geben würde, dann hätten beide zwei.“ Und ein Gewerkschaftspräsident beglaubigte Clintons „testikuläre Tapferkeit“. Clinton selbst machte eifrig mit. Sie hielt Ansprachen auf der Ladefläche von Pick-up-Trucks, besuchte Autorennen und kanzelte Kritiker ihres Vorschlags, in der Sommerzeit die Benzinsteuer zu erlassen, als „Elite“-Ökonomen ab, denen die Sorgen der kleinen Leute fremd seien. Und trotzdem hat sie ihren Rivalen nicht überholen können.
Es ist aber eben nicht vorbei. Denn was Clinton trotz dieser Rückschläge dennoch erreicht hat: Die Politik des Ressentiments (gegenüber den angeblich weibischen Liberalen und Intellektuellen, gegenüber allen, die es mutmaßlich zu leicht gehabt haben), die in den letzten zehn Jahren so erfolgreich von Republikanern gegen Demokraten geschürt worden ist – nun entzweit sie die demokratische Partei selbst. Man merkt es den unerschütterlichsten Clinton-Anhängern an: Sie ist Identifikationsobjekt geworden für alle, die Groll hegen, die – wie das Gegenkulturmagazin Rolling Stone mit unnachahmlichem Biss resümierte– festsitzen in der „betäubenden Misere“ der „weißen Vororte“, wo die Leute „jeden Tag zu ihren arschlangweiligen Jobs gehen“ und „dreimal die Woche trainieren, damit ihre Ehepartner Sex mit ihnen gerade noch erträglich finden“.
Dank Clintons Mithilfe beim Mobilisieren just dieser Emotionen kann es gut sein, dass, wenn sie letztendlich akzeptiert, dass sie die Nominierung verloren hat, sie dennoch diesen Teil der Wählerschaft gewonnen haben wird – für John McCain.
DAGMAR HERZOG, geboren 1961, Historikerin, forscht unter anderem zum Aufstieg der religiösen Rechten in den USA