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Archiv-Artikel

Oldenburg fragt Luxemburg

Die Ausweisung der Ems als EU-Naturschutzgebiet beschäftigt künftig den Europäischen Gerichtshof. Die Stadt Papenburg könnte mit ihrer Klage der Meyer Werft einen Bärendienst erwiesen haben

VON KAI SCHÖNEBERG

252 Meter ist sie lang, 2.050 Passagiere passen drauf: Im April schipperte die „Aidabella“ erstmals Richtung Bergen. Ob in der Meyer Werft in Papenburg gebaute Kreuzfahrschiffe über die Ems und den Dollart Richtung Weltmeere stechen dürfen, war am Dienstag indirekt Thema vor dem Verwaltungsgericht in Oldenburg. Hier klagt die Stadt Papenburg gegen die Bundesrepublik Deutschland: Der Bund dürfe bei der EU-Kommission nicht seine Zustimmung zur Ausweisung der Ems als Schutzgebiet im Sinn der europäisches Flora-Fauna-Habitat (FFH) geben.

Nicht nur Naturschutz-Belange müssten bei der Aufnahme der Unter- und Außenems in die FFH-Gebietsliste berücksichtigt werden, sondern auch wirtschaftliche und soziale betroffener Kommunen: Papenburg fürchtet, dass durch eine FFH-Ausweisung die anstehenden Ausbaggerungen in dem schon durch Vertiefungen und Staumaßnahmen arg geschundenen Fluss blockiert werden könnten. „Die Ems ist unser Tor zur Welt, unsere Lebensader. Direkt an ihr hängen 4000 Arbeitsplätze“, sagte der Papenburger Bürgermeister Jan Peter Bechtluft in Oldenburg; allein die Meyer Werft bietet 2.500 Jobs. Bechtluft fürchtet sogar, dass nach einer Ausweisung als FFH-Gebiet für die Unterhaltsbaggerungen, die vor der Überführung der Kreuzfahrt-Schiffe nötig sind, aufwändige Genehmigungsverfahren anfallen könnten.

Der Bund meint hingegen, kommunale Interessen spielten bei der Auswahl von FFH-Gebieten keine Rolle. „Für die anstehenden Vertiefungen der Ems wäre sogar eine Ausweisung als Schutzgebiet dringend notwendig“, lässt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) mitteilen. Gleichzeitig verweist er auf bestehende FFH-Gebiete wie das Mühlenberger Loch in Hamburg oder ein Waldstück am Frankfurter Flughafen, wo erst nach EU-Schutz gebaut werden konnte.

Das Gericht entschied am Dienstag, erst mal nichts zu entscheiden, sondern vor einem Urteil beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg die anstehenden Fragen grundsätzlich klären zu lassen. Bis zur EuGH-Antwort dürfe der Bund die Ems nicht als FFH-Gebiet ausweisen.

„Damit könnte die Stadt Papenburg der Meyer-Werft einen Bärendienst erwiesen haben“, sagt Hans-Jörg Helm, niedersächsischer Vorsitzender des Naturschutzbunds Nabu. Einerseits habe sich Deutschland bereits 1992 dazu verpflichtet, die wirtschaftlichen Belange betroffener Gemeinden zu berücksichtigen. Anderseits müssten durch den Gerichtsbeschluss erst mal die Bagger ruhen: Da die Antwort aus Luxemburg rund ein Jahr dauert, sei sicher „dass über einen längeren Zeitraum an der Ems keine Natur schädigenden Arbeiten vorgenommen werden dürfen“. Wegen des schwebenden Verfahrens dürfe in dem potenziell geschützten Gebiet nicht gebaggert werden. „Schon für die nächste Schiffsüberführung sind im Sommer weitere Arbeiten an der Ems nötig“, so Nabu-Sprecher Ulrich Thüre. „Das werden wir genau beobachten.“