: Klage gegen „Katalogisierung“ der Bürger
Verfassungsbeschwerde gegen Speicherung von 28 Millionen Passbildern in Passregistern. Datenschützer Breyer sieht informationelle Selbstbestimmung verletzt: „Wer auf Demos identifiziert werden kann, passt sein Verhalten an“
FREIBURG taz ■ Der Datenschützer und Jurist Patrick Breyer wehrt sich gegen die „verdachtlose Katalogisierung“ von 28 Millionen Bundesbürgern. Mit seiner Klage, die gestern beim Bundesverfassungsgericht einging, kritisiert er, dass von jedem Inhaber eines Reisepasses in der lokalen Passbehörde ein Passbild gespeichert ist. Breyer sieht dadurch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt.
Passregister gibt es schon seit dem Kaiserreich. Gesetzlich geregelt sind sie seit den 1980er-Jahren. Sie enthalten alle Daten, die auch im Reisepass stehen, sowie ein Doppel des Passbildes. Daneben existiert auch ein Personalausweisregister. Für die Polizei sind diese Fotosammlungen praktisch: Wenn ein Fahrzeug „geblitzt“ wurde, kann sie durch einen Abgleich mit dem Passregister überprüfen, ob der Halter am Steuer saß. Wenn eine Person vermisst ist, dann kann das Foto aus dem Passregister genutzt werden.
Breyer wertet das öffentliche Interesse an solchen Fotosammlungen als gering. Statt von allen 28 Millionen Passbesitzern Fotos auf Vorrat zu speichern, solle die Polizei Verdächtige lieber zu Hause zur Gesichtskontrolle aufsuchen oder sie auf die Wache vorladen. Bei der Aufklärung von Verkehrsverstößen gehe es weniger um Sicherheit als um Staatseinnahmen.
Dagegen wiege die Gefahr für die Grundrechte schwerer, so Breyer. „Wer damit rechnen muss, dass er auf öffentlichen Straßen oder auf Demonstrationen aufgrund seines Lichtbilds identifiziert werden kann, wird sein Verhalten entsprechend anpassen.“ Breyer rechnet mit zunehmender Nutzung der Fotos in der Zukunft.
Da es die Passregister schon seit Jahrzehnten gibt, ist eigentlich die Frist für eine Verfassungsklage abgelaufen. Breyer hält seine Klage dennoch für zulässig, weil seit November 2007 in Eilfällen ein automatisierter Abruf aus dem Passregister möglich ist. Dies habe die „Geschäftsgrundlage“ für die Speicherung der Passbilder verändert.
Digitalisierte Fingerabdrücke sind übrigens nur im Chip des neuen Reisepasses gespeichert und nicht im Passregister. Gegen die Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken klagte bereits im Januar die Schriftstellerin Juli Zeh. CHRISTIAN RATH