: „Da lass ich die Jungs nicht ran“
Die Rockband Die Happy ist großes Publikum gewohnt – sie hat sich zu einer klassischen Festival-Band hochgespielt. Frontfrau Marta Jandová über Testosteron in der Musikbranche und „Auszieh’n!“-Rufe bei ihren Konzerten. Und darüber, warum ihre Texte trotzdem optimistisch sind
MARTA JANDOVÁ, 34, wurde in Prag geboren. Sie lebt seit 1994 in Deutschland, wo sie im Jahr ihres Umzugs mit dem Gitarristen Thorsten Mewe Die Happy gründete. In den ersten Jahren tingelte Marta mit den drei Jungs der Rockband über sämtliche kleinere Festivals und spielte auch auf Dorffesten. Mittlerweile sind aus den Dorffesten ausverkaufte Clubs geworden, unter anderem die Große Freiheit in Hamburg. Marta sagt, Die Happy hätte so viel gespielt, bis einfach kein Weg mehr an ihnen vorbei geführt hätte. 2001 feierten sie ihren ersten großen Erfolg mit der Single „Supersonic Speed“. Seit diesem Durchbruch spielten Die Happy 850 Konzerte. Sie zählen zu den wenigen Bands, die auf allen deutschsprachigen Festivals aufgetreten sind. 2007 gewann Jandová zusammen mit „Oomph!“ den Bundesvision Song Contest. WEY
INTERVIEW ELISABETH WEYDT
taz: Wie kommen Sie als Zugezogene in der Popstadt Hamburg klar?
Marta Jandová: Hamburg war immer ein gutes Pflaster für uns. Als wir zum Beispiel 2000 mit unserer ersten Single „Supersonic Speed“ getourt sind, kamen in Berlin kaum Leute und hier waren 300. Das war damals unglaublich, als totaler Newcomer. Und 2003 hatten wir dann die Große Freiheit ausverkauft. Das war mit ein Grund, warum ich nach Hamburg gezogen bin. Für mich war klar, dass wenn ich eines Tages aus Ulm wegziehe, dann wird es Hamburg sein. Beim letzten Konzert im Grünspan konnte ich dann wirklich sagen „Hey Hamburg! Meine Stadt!“
Trotzdem denkt man bei Hamburg doch eher an Diskurspop als an gradlinigen Festival-Rock. Warum gibt es von Die Happy keine Analysen über die Seele der Nation?
Das ist, weil ich so optimistisch bin. Vielleicht geb’ ich den Leuten Kraft, um das ganze melancholische Jahr zu überleben. Die Texte schreib ich alleine, da lass ich die Jungs nicht ran. Und ich kann nichts schreiben oder singen, wenn ich nicht dahinter stehe. Ich bin da eine schlechte Schauspielerin.
Und worüber haben Sie die neuste Platte geschrieben?
„Peaches“ zum Beispiel ist ein Lied über Menschen, die einen nicht kennen, aber trotzdem denken, dass sie eine Meinung haben müssten über einen. Wenn ich mit einer Lidl-Tüte nach Hause lauf, bin ich ja soundso. Das Lied ist wie ein Schrei „Ihr kennt mich nicht, ich gehöre euch nicht, mischt euch nicht in meine Angelegenheiten!“ Ich lass mir gerne einen Rat geben, aber von jemanden, den ich frage oder der mich kennt.
Sie sind wegen solcher Texte Identifikationsfigur für viele junge Frauen. Ist es immer noch etwas besonderes, Frau zu sein und gleichzeitig in der ersten Reihe zu stehn?
Es ist immer noch sehr besonders. Es gibt zwar immer mehr Frontfrauen, was mich auch sehr freut, weil es zur Normalität wird. Trotzdem ist es was besonderes. Ich bin da auch nicht so die… also, ich wackel natürlich auch mal mit dem Arsch auf der Bühne, aber das ist dann eher aus Spaß oder weil es zum Lied passt. Ich bin nicht so die sexy Rock-Sau. Also ich bin schon eine Rock-Sau, aber nicht die, die alle Männer anmachen will.
Wie gehen Sie mit „Marta, zieh dich aus!“-Rufen aus dem Publikum um? Stört Sie das?
Ach, da hab ich meine Sprüche. Einmal war da einer, der geschrien hat: „Zeig deine Titten!“ Da hab ich zu ihm gesagt: „So, jetzt geh auf die Toilette, hol dir einen runter und wenn sich deine Hormone beruhigt haben, dann kommst du wieder zurück und wir haben Spaß!“ Der hat sich tierisch geschämt. So was geht einfach nicht.
Die Musikbranche und besonders das Rock-Geschäft ist doch generell ein ziemlicher Männerverein.
Ja, und viele erwarten von einer Frau auch spezielle Merkmale wie: immer ein tiefer Ausschnitt, immer mit dem Hintern wackeln und immer das engste und kürzeste anziehen. Ich zieh auch gerne enge Klamotten an, aber ich war nie die dünnste. Am Anfang der Karriere kamen Sprüche von der Plattenfirma, ich sollte abnehmen und ich hab’s natürlich krampfhaft versucht. Das ist leider die Krankheit unserer Generation. Aber es geht ja hauptsächlich darum, wie man sich fühl.
Stört Sie der Testosteron-Überschuss in der Musikbranche?
Es gab eine Zeit, wo es mich extrem angekotzt hat, aber mittlerweile find ich das eher belustigend. Ich hatte auch schon ein Angebot vom Playboy und ich hab mich ehrlich gesagt geehrt gefühlt, aber ich hab abgelehnt. Ich hätte gerne schöne Nacktfotos von mir, aber nicht, dass sie jeder angucken kann.
Standen Sie auch schon auf einer Bühne und dachten, „Oh mein Gott, was mach ich hier?“
Ja, ich bin einmal von ner Bühne gegangen, heulend. Wir haben auf irgendeiner Dorf-Feier gespielt. Die Leute waren so angetrunken! Ein besoffener Punk fing an, sich mit einer älteren Frau zu schlagen. Er hat gepogt, sie wollte zuhören. Das wurde fast ’ne Dorfprügelei. Ich hab dann laut geschrien: „Ich kann und will für euch nicht singen! Und ich geh jetzt! Was seid ihr für blöde Menschen!“
Worauf kommt es an im Leben?
Das weiß ich ganz genau! Nummer eins: Liebe. Und das muss nicht unbedingt die Liebe zum Partner sein. Ich meine dieses Leute um sich herum haben, die einen festhalten können.
Nächster Auftritt im Norden: 22. August beim Deichbrand-Festival in Cuxhaven