: Der Stein im Wasser
Ein wichtiges Ereignis für die Szene der jungen SchriftstellerInnen in Deutschland ist das Hildesheimer Prosanova-Festival geworden – auch, weil es die selbst noch studierenden Organisatoren schaffen, Journalisten und Verleger an Bord zu holen
Die Jugend ist dann doch ein Argument. Zwar ist das „Fräuleinwunder“ im Literaturbetrieb vorbei und auch der Hype um die männlichen Nachwuchsschriftsteller ist verraucht, aber dennoch horchen die Journalisten nach wie vor auf, wenn ihnen Literatur junger Schriftsteller angeboten wird. Die Macher der Hildesheimer Literaturzeitschrift Bella Triste wissen das, nachdem ihr Heft mit jungen Autoren immer wieder den Weg in die überregionalen Feuilletons gefunden hat. Außerdem ist den selbst noch studierenden Bella Triste-HerausgeberInnen aufgefallen, dass es in Deutschland kein Festival für junge Literatur gibt – was sie dazu bewog, im Jahr 2005 das Literaturfestival Prosanova aus der Taufe zu heben. Und auch das mit einigem Erfolg, was die Resonanz in den Medien betrifft.
Prosanova, das bedeutet ein dezidiert lebendiges Aufeinandertreffen junger Autoren in der von sich aus eher trägen Stadt Hildesheim. Von Donnerstag bis einschließlich Sonntag werden rund 100 KünstlerInnen aus dem deutschsprachigen Raum auf einem ehemaligen Fabrikgelände rund 30 Veranstaltungen anbieten. Statt der gesitteten Lesung am Abend möchten die Organisatoren eine andere, moderne Form der Literaturvermittlung anbieten: Man fängt morgens an mit einem Plausch über Literatur beim Brunch, trifft sich mittags zur Szenischen Lesung, ist abends dabei, wenn Autoren via Laptop im Wettstreit Zeilen produzieren und tanzt die Nacht über zur Musik von DJs aus dem deutschen Sprachraum. Dazwischen ist dann noch der Lyrik-Wettbewerb, bei dem die Jury die Vorträge live diskutiert. Und wer die Zeit zwischen Partyende am frühen morgen und Brunch-Beginn um 11 durchhält, muss gar nicht mehr ins Bett.
Möglich wird das beeindruckend üppige Programm durch das Engagement von rund 80 Studierenden der Universität Hildesheim. Das Festival wird von den Studierenden der Studiengängen Kreatives Schreiben und Angewandte Kulturwissenschaften im Rahmen eines „Projektsemesters“ umgesetzt, nachdem der engere Planungsstab der Bella Triste-Herausgeber bereits seit eineinhalb Jahren geplant und Geld akquiriert hat. Vom Deutschen Literaturfonds bis zur Bundeszentrale für politische Bildung reichen die Förderer, außerdem gibt es Medienkooperationen und diverse Sponsoren. Über den Tellerrand der Universität ist Prosanova damit meilenweit hinausgesprungen. Und darum geht es auch: Den Kulturwissenschaftlern und Kreativen Schreibern vermittelt man in Hildesheim früh, dass das Trommeln in eigener Sache wesentlich für beruflichen Erfolg im Kulturbereich ist.
Prosanova ist also auch eine PR-Veranstaltung in eigener Sache, wobei die Hildesheimer sich ausnehmend schlau anstellen. Denn erstens haben sie tatsächlich einiges zu bieten und zweitens kommen neben den ganzen junge Autoren auch Verleger, Literaturwissenschaftler und Journalisten. Die Journalisten werden mitunter an den vielen Gesprächsrunden teilnehmen oder Gesprächsrunden moderieren und sind damit eine gewisse Garantie dafür, dass das Festival in den Redaktionen nicht übersehen wird. Denn auch wenn man die meisten Autoren kaum kennen dürfte: Wenn der ein oder andere namhafte Kollege dort als Moderator auftritt, muss der Veranstaltung Relevanz innewohnen. Die Welle trägt sich fort, wenn der Stein im Wasser landet.
Und das mit den Anstößen verselbständigt sich offenbar: Eine zentrales Element von Prosanova ist ein Projekt, bei dem sich zehn junge AutorInnen bereits im Vorfeld der Veranstaltung vier Tage lang in einer Villa über ihr eigenes Schreiben Gedanken gemacht haben. Unter Begriffen wie „Generation“, „Markt“ oder „Relevanz“ haben sie ihre literarischen Standpunkte niedergelegt um sie bei Prosanova vorzustellen. Eine Veröffentlichung ist geplant.
Ab Donnerstag werden nun zwischen 500 und 1.000 Besucher erwartet bei einer Veranstaltung, an der rund 180 Künstler und Organisatoren beteiligt sind. Im Sinne einer Publikumsveranstaltung funktioniert Prosanova also eher nicht. Es ist wohl ein offener Szenetreff – mit Multiplikatorenwirkung.
KLAUS IRLER
Prosanova: 22.-25. Mai am Gelände der ehemaligen Phoenix-Werke in Hildesheim