: Von nun an sinkt die Ölförderung
Mit 132 US-Dollar erreicht der Ölpreis am Mittwoch ein neues Rekordhoch – und er wird weiter steigen, meint die Energy Watch Group. Denn Erdöl geht zur Neige
BERLIN taz ■ Die Warnungen der Energy Watch Group (EWG) sind dramatisch: „Peak Oil“ ist jetzt, nicht in 10 oder 15 Jahren. Soll heißen: Die weltweite Ölförderung hat ihr Maximum mit großer Wahrscheinlichkeit bereits überschritten. Von nun an werde die Förderung sinken, 2030 werde sie dann nur noch die Hälfte des heutigen Volumens betragen, sagte Werner Zittel, Autor der EWG-Studie „Global Oil Supply“, die gestern vorgestellt wurde. Für Deutschland könnte das zur Folge haben, dass ab 2030 überhaupt kein Öl mehr importiert werden könne, sagte Zittel.
Die Warnungen der Energy Watch Group, eines internationalen Netzwerks zur Beurteilung der Verknappung fossiler Energieressourcen, erhielten am Mittwoch durch den aktuellen Ölpreis noch mehr Brisanz. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) der US-Referenzsorte West Texas Intermediate stieg bis zum frühen Abend auf 132,08 US-Dollar und knackte damit erstmals die psychologisch wichtige Marke von 130 US-Dollar. Auch die Nordsee-Sorte Brent, die für die Versorgung in Europa wichtig ist, stieg auf den Höchststand von 131,57 US-Dollar.
Die Ursache schien schnell ausgemacht. Der aktuelle Preisanstieg sei auf die Haltung des mächtigen Opec-Kartells zurückzuführen. Vertreter des Kartells hatten am Dienstag erklärt, die Fördermenge vorerst nicht auszuweiten. Diese Argumentation halten die Experten der Energy Watch Group für völlig verfehlt.
Die tatsächlichen Ursachen seien struktureller Natur. So steige die Nachfrage immer weiter an, das Angebot hingegen sinkt stetig, sagte Aribert Peters, Vorsitzender des Bundes der Energieverbraucher. Der Preis werde so in die Höhe getrieben. Peters erwartet, dass sich Öl jährlich um 30 Prozent verteuert, in gleichem Ausmaß werde sich das an den Tankstellen niederschlagen. Seit 2000 steigt der Ölpreis kontinuierlich an. Marktbeobachter animiere das zu immer neuen Begründungen, kritisierte auch Zittel. Die Endlichkeit der Lagerstätten sei immer noch ein Tabu – dabei nähmen die Reserven in den Ölvorratslagern schon seit den 80ern kontinuierlich ab.
Die Möglichkeiten, das Fördervolumen dauerhaft auszuweiten, seien nicht realistisch. Der Hoffnung etwa, der Ölpreis könne sich durch neu entdeckte Ölfelder stabilisieren, erteilte Zittel eine Absage. Es habe sich in der Vergangenheit gezeigt, dass dieses Wunschdenken nicht der Realität entsprochen hat. So seien die Ölfelder oft kleiner als angenommen, auch konnte die Förderung, etwa in Kasachstan, erst viel später beginnen als geplant, sagte Zittel. Auch bei den vor Kurzem entdeckten Ölfeldern vor Brasiliens Küste werde es Probleme geben. „Das Öl liegt unter einer dicken, harten Salzschicht und außerdem 250 Kilometer draußen im Meer.“
„132 Dollar sind erst der Anfang“, sagt Josef Auer von der Deutsche Bank Research. Der Ölpreis werde noch viel weiter steigen. Diese Meinung – vor Kurzem noch als Exotenmeinung abgetan – sei inzwischen salonfähig. Er kritisierte andere Organisationen scharf. „Ich bin enttäuscht von der IEA“, sagte Auer. Gemeint ist die Internationale Energieagentur, die 2006 verkündete, es werde bis 2030 keinerlei Versorgungsengpässe geben.
Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen und Mitinitiator der Energy Watch Group, will, dass nun schnellstens umgeschwenkt wird. „Wir stehen vor einer Krise nicht geahnten Ausmaßes, ökonomisch wie sicherheitspolitisch“, sagte Fell. Einzige Lösung in dem Dilemma: „Offensiv in erneuerbare Energien investieren“, sagte Fell. MAIKE BRZOSKA