Gärtner zum Bock mutiert : KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH
Niemand würde einem Verbrechersyndikat erlauben, eine Telefongesellschaft zu betreiben. Zu Recht würde man befürchten, dass die Ganoven die Telefonfirma auch nutzen, um die Kunden für kriminelle Zwecke auszuspionieren.
Im Fall Telekom scheint es nun andersherum gewesen zu sein: Eine traditionelle Telefongesellschaft entdeckt, dass sie die ihr anvertrauten Informationen über das Telefonverhalten ihrer Kunden auch für eigene Zwecke nutzen kann. Wenn es stimmt, dass im Auftrag der Telekom tatsächlich die Verbindungsdaten von Journalisten und gewerkschaftlichen Aufsichtsratsmitgliedern ausgewertet wurden, um eine undichte Stelle im Unternehmen zu finden, dann ist das ein enormer Skandal. Er würde das Vertrauen in die Seriosität der Deutschen Telekom ganz erheblich infrage stellen.
Das Problem ist klassisch. Schon vor Jahrzehnten wurde gesehen, dass die indirekte Kommunikation zwischen Menschen große Gefahren erzeugt. Wer sich per Brief oder per Telefon verständigt, muss andere einschalten, auf deren Zuverlässigkeit er angewiesen ist. Der Briefträger soll die Postkarte eben nur zustellen und nicht lesen oder dem Nachbarn zeigen. Deshalb ist im Grundgesetz schon von Anfang an das Brief- und das Fernmeldegeheimnis geschützt. Das mutmaßliche Verhalten der Telekom muss also gar nicht erst verboten werden – es ist als Verletzung des Fernmeldegeheimnisses längst strafbar.
Das Problem hat sich seit Jahresbeginn aber verschärft. Bisher konnten vorsichtige Bürger ihrer Telefonfirma verbieten, die Verbindungsdaten zu speichern. Das haben zwar nicht viele Kunden genutzt, aber zumindest bestand die Chance, Kontrolle über die eigenen Daten zu behalten. Jetzt hat der Staat jedoch die Firmen verpflichtet, die Daten ein halbes Jahr für eventuelle polizeiliche Zwecke zu speichern. Vorratsdatenspeicherung nennt sich das. Der Staat setzt die Bürger damit dem Risiko aus, dass ihre Daten durch die Telefonfirmen missbraucht werden, wie der Vorgang bei der Telekom mehr als deutlich gemacht hat. Ein weiterer Beleg dafür, dass die Vorratsdatenspeicherung unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig ist.