: Strommarkt mit Zerschlagung light
Möglicherweise soll den Konzernen die Gründung einer gemeinsamen Netzgesellschaft ermöglicht werden
FREIBURG taz ■ In der Debatte um eine Zerschlagung der Stromkonzerne deutet sich in der Europäischen Union ein Kompromiss an. Möglicherweise wird die EU es den deutschen Konzernen gestatten, eine gemeinsame Netzgesellschaft zu gründen. Der Zwang zum Verkauf der Übertragungsnetze an unabhängige Eigentümer, der lange diskutiert wurde, wäre damit vom Tisch.
Entschieden ist bislang noch nichts, doch Andeutungen von EU-Energiekommissar Andris Piebalgs weisen in diese Richtung. Eine Vorentscheidung über die zukünftige Eigentümerstruktur der europäischen Stromnetze wird am 6. Juni der Rat der EU-Energieminister treffen. Die EU-Kommission hatte bislang die Zerschlagung der Stromkonzerne gefordert, also die komplette Trennung von Stromerzeugung und Stromtransport. Die Bundesregierung hingegen lehnt das bis heute ab und fordert stattdessen mit acht weiteren Ländern lediglich die strikte rechtliche Trennung von Energieproduktion und -verteilung. Das Eigentum an den Netzen soll nach ihren Vorstellungen aber in den Händen der Versorger bleiben.
Auf Kritik stößt die Position der Bundesregierung bei den Grünen, die für die Gründung einer Netzgesellschaft eintreten, die „ohne Beteiligung der Energieerzeuger und unter staatlicher Regulierung dafür sorgt, dass es faire Zugangs- und transparente Nutzungsbedingungen gibt“. Denn bislang können die Konzerne durch das Stromnetz-Management fremde Einspeiser diskriminieren.
Eine solche Diskriminierung beklagt zum Beispiel der Bundesverband Windenergie (BWE), vor allem bei Eon: „Wenn zu viel Wind weht, sind angeblich die Netze nicht in der Lage, den produzierten Ökostrom aufzunehmen.“ Da Eon einerseits Netzbetreiber ist, andererseits aber auch eigene Kraftwerke betreibt, liegt es auf der Hand, dass der Konzern bevorzugt seinen eigenen Strom ins Netz aufnimmt. Zugleich schadet diese Praxis der Umwelt, weil emissionsfrei erzeugter Windstrom verloren geht, während fossile Kraftwerke weiterlaufen.
Diskriminierungsfreie Netzstrukturen sind in anderen Ländern durchaus bewährt – etwa in der Schweiz, wo die gesamten Übertragungsnetze in der Swissgrid zusammengeführt wurden. Eine Netzgesellschaft nach dem Vorbild der Schweiz, sagt dann auch der Energieexperte der Grünen im Bundestag, Hans-Josef Fell, „könnte ein Erfolg versprechender Weg auch für die Bundesrepublik sein“.
BERNWARD JANZING