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Archiv-Artikel

Misstöne am Wörthersee

Mediterrane Leichtigkeit in Klagenfurt – die Kneipen in den schattigen Arkadenhöfen bezaubern auch Hardcorefußballfans. Dennoch wurde der Stadt die EM-Austragung beinahe wieder entzogen – wegen eines Streits, den Jörg Haider provoziert hat

KLAGENFURT-INFOS

Allgemeines und Hotelinfo: www.klagenfurt.at/euro08 www.klagenfurt-tourismus.at

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In der Buchhandlung Haček, Paulitschgasse 5–7, liegt ein antifaschistischer Stadtführer aus. Die bewegte Geschichte Kärntens mit Abwehrkampf, Partisanenaufstand, Slowenenvertreibung und Ortstafelkonflikt hat auch die Landeshauptstadt polarisiert.

Fußballbezogenes – kritisches – Theater gibt es in Form eines Monologs einer Fußballerfrau: Spiel mit mir. Der Ball und sein Geschlecht von Ute Liepold. Eine One-Woman-Show mit Sissy Noe im MMKK, verbleibende Termine: 31. Mai; 5., 6. und 13. Juni. www.bruecke.ktn.gv.at RLD

VON RALF LEONHARD

Der Wirt der Gaststätte Kärntner Hamat’l rechnet nicht mit dem großen Fußballgeschäft. Sein Lokal, in dem deftige bodenständige Kost serviert wird, liegt gerade außerhalb der Fanzone. Zwar profitiert auch er von Schlachtenbummlern und hat zwei Abende schon für polnische Fans reserviert, doch den einst von den Stadtvätern prognostizierten Ansturm von 150.000 Fans hält er für unrealistisch.

Klagenfurt ist die kleinste der EM-Austragungsstädte, gleichzeitig die exponierteste. Denn sie liegt im Einzugsbereich aller drei Länder, deren Mannschaften hier spielen werden: Deutschland, Kroatien, Polen. Zagreb liegt mit 230 Straßenkilometern näher als Wien, München ist über die Tauernautobahn in drei Stunden zu erreichen und auch von Krakau (780 km) fährt man nicht länger als eine Nacht. Fans aus Kroatien und Polen werden von der Polizei zudem als gewaltbereit eingeschätzt. Feuerwehrhauptmann Josef Pobenig, der für die nichtpolizeiliche Sicherheit zuständig ist, gibt sich aber gelassen: Er glaubt, dass Sanitäter und Ordnungshüter in erster Linie mit den gleichen Problemen konfrontiert sein werden wie bei Kirchtagen oder größeren Sportveranstaltungen: Alkoholleichen, Hitzschlag, Dehydrierung, Raufereien. Organisierte Hooligans seien eher ein Phänomen des Klubfußballs, meint Pobenig. Notorische Fußballrowdies würden außerdem gar nicht ins Land gelassen. Für die werden schon an den Grenzen die Kontrollposten wieder eingerichtet.

Zudem sollen uniformierte Polizisten aus Polen und Kroatien für Ordnung sorgen. Anders als die rund 2.500 deutschen Polizeibeamten haben die allerdings keine Hoheitsrechte und dürfen nur in Begleitung von österreichischen Kollegen patrouillieren. Allein ihre Anwesenheit soll aber den gewaltbereiten Landsleuten signalisieren: Ihr werdet beobachtet.

Die Fanmeile in der Klagenfurter Altstadt wird zur Hochsicherheitszone. Handtaschen und Rücksäcke werden untersucht: Getränke und alle Gegenstände, die als Wurfgeschoss dienen könnten, müssen draußen bleiben. Handy und Schlüssel – wiewohl handlich und wurfgeeignet – werden aber toleriert, Regenschirme oder auch Motorradhelme nicht. Getränke werden aus Sicherheitsgründen in der gesamten Innenstadt nur in Plastikbechern ausgeschenkt. Nur in den Lokalen darf man Bier und Wein auch in Gläsern kredenzen. Fast die ganze Altstadt wird zur Fanmeile, der streng kontrollierte Bereich beschränkt sich aber auf den Neuen Platz, wo vor dem Rathaus eine 44 Quadratmeter große Leinwand errichtet wird. Videokameras auf allen Plätzen und breiteren Straßen werden Klagenfurt für vier Wochen zu einer der bestbewachten Städte der Welt machen. So erhält der berühmte Lindwurm aus dem 16. Jahrhundert, Wahrzeichen der Stadt, ein Schutzgitter von drei Metern Höhe. Der Platz selbst wird mit neuen Granitplatten für den Ansturm von bis zu 6000 Fans fit gemacht. Auf dem Messegelände, das unweit vom Bahnhof und damit in Gehweite vom Stadtzentrum liegt, stehen nochmals 10.500 Quadratmeter Areal und eine Videowand von 60 Quadratmetern zur Verfügung. Da können sich bis 22.000 Fans tummeln. In der Messehalle steht auch ein Fancamp zur Verfügung, wo man für 25 Euro die Nacht einen Platz im Etagenbett bekommt.

Die 3.000 Gästebetten in der Stadt wurden vom Reiseunternehmer Kuoni pauschal gebucht. Doch im Umkreis sind jede Menge Frühstückspensionen zu finden. Und die Stadtväter forderten auch Privatpersonen auf, für die Zeit der EM Zimmer zur Verfügung zu stellen. Organisation und Betreuung der Fanmeile wurde an einen privaten Eventmanager ausgelagert. Der rechnet mit maximal 30.000 Fans an den drei EM-Spieltagen.

Klagenfurt ist eine Stadt von mediterraner Leichtigkeit. Mehr als 50 schattige Arkadenhöfe in den Renaissancebauten, von denen viele für Gastronomie und Kulturveranstaltungen genutzt werden, verleihen der Stadt einen unverwechselbaren Charakter, der auch Hardcorefußballfans bezaubern muss. Der Wörthersee mit seinem 20.000 Personen fassenden Seebad liegt vor der Tür.

Das Wörthersee-Stadion ist die einzige Fußballarena in Österreich, die eigens für die EM gebaut wurde. Es fasst 38.000 Besucher und gilt als architektonisches Schmuckstück. Beinahe wäre es nicht fertig geworden, denn um Ausschreibung, Bauträger und Kostenübernahme wurde jahrelang zwischen Landeshauptmann Jörg Haider, Bürgermeister Harald Scheucher und Bund gestritten. Haider wollte seinen Favoriten durchdrücken und provozierte einen Disput, der fast damit endete, dass die Uefa Klagenfurt die Austragung wieder entzog.

Ob das Stadion auf 15.000 Zuschauer rückgebaut wird, wie es einem Provinzstadion entspricht, ist noch umstritten. Der lokale Fußballklub Austria Klagenfurt vermag es jedenfalls nicht zu füllen. Der Verein konnte sich letztes Jahr nur in der Bundesliga halten, weil er die oberösterreichische Mannschaft Superfund Pasching aufkaufte. Dieses Jahr wurde der Abstieg verhindert, weil Wacker Innsbruck noch schlechter war.

Dass Klagenfurt überhaupt den Zuschlag für die EM bekam, ist nur durch die politische Konstellation zum Zeitpunkt der Uefa-Entscheidung zugunsten von Österreich/Schweiz zu erklären. Haiders Parteifreundin Susanne Riess-Passer war 2001 Vizekanzlerin und Sportministerin. Haider, der auch sonst keine Gelegenheit auslässt, sich durch Sportevents in Szene zu setzen, ließ seine Kontakte spielen und holte die Megaveranstaltung nach Klagenfurt. Gleichzeitig wurde sein Wunsch nach einem neuen Stadion erfüllt.

Bei der Ausrichtung des Events in Klagenfurt hat Haider nichts mitzureden. „Gottlob“, sagen die meisten Veranstalter hinter vorgehaltener Hand. Trotzdem gelingt es ihm, zu provozieren. Während die Veranstalter auf kulturübergreifende und versöhnliche Konzerte setzen, lud der Rechtspopulist Marko Perkovic, einen der bekanntesten Rocksänger Kroatiens, zu einem Match ein. Perkovic, der eigentlich in St. Andrä im Lavanttal vor kroatischen Fans auftreten sollte, war von der Landesregierung aus „sicherheitstechnischen Gründen“ wieder ausgeladen worden. Denn seine kriegerisch-nationalistischen Texte könnten die angestrebte Harmonie stören. Haider juckt das wenig. Er will sehen, ob man vielleicht nicht doch „einen geeigneten Rahmen für ein Konzert“ findet.