: Hier glitzert alles
Nicht nur das Schlagzeug wurde zunehmend kess: Cole Porters Musical „Kiss me Kate“ feierte eine gelungene Premiere in der Komischen Oper. Eine Paillettenschlacht mit großartigen Hauptdarstellern
VON BRIGITTE WERNEBURG
Das Einzige, was die Damen und Herren vom Orchester vermissen ließen, waren die Showeinlagen, die ihre kecken, pinkfarbenen Fes-Hütchen versprachen. Doch sonst konnten sie alles. Und vor allem konnten sie es immer besser; im Verlauf der über zwei Stunden von „Kiss me Kate“, das am Samstagabend in der Komischen Oper Premiere hatte. Besonders das Schlagzeug wurde immer selbstbewusster und kesser, und dann kam der Tusch mit dem Becken genau so exakt, wie es der Comic-Stil der Tanzeinlagen, ihr „Tom und Jerry“-Drive, verlangte.
Das Orchester reagierte auf das sichtliche Vergnügen des Publikums, das es – anders als sonst – sehen konnte. Denn es saß zu einem Gutteil auf der Bühne. Auf einer hochgetürmten weißen Showtreppe, die die Hälfte des Raums für sich beanspruchte. Ein genialer Schachzug von Regisseur Barrie Kosky, nicht nur zugunsten der spontanen Orchesterreaktion, die der holländische Dirigent Koen Schoots jedoch stets so im Griff behielt, dass die schlanke Eleganz, mit der er Cole Porter musizierte, nie verloren ging. Die Showtreppe verengte auch den Raum für das Ensemble, und damit genügten die zwölf exzellenten Tänzer des Choreografen Otto Pichler, um den Eindruck zu erwecken, sie hätten die Bühne wenigstens in der vollen Mannstärke einer Busby-Berkeley-Truppe okkupiert.
Tatsächlich scheinen sich am Samstagabend bei der Premiere von „Kiss me Kate“ die Talente gefunden zu haben, um den Hauptdarstellern Dagmar Manzel und Roger Smeets den Bühnenboden aufs Schönste zu bereiten. Backstage und Onstage, wie es das Musical um eine Aufführung von Shakespeares „Der Widerspenstigen Zähmung“ verlangt, bei der die private Fehde der Hauptbesetzung Lilli und Fred die Shakespeare’sche Intrige zwischen Kate und Petrucchio in einer Weise befeuert, dass es die Aufführung gefährdet und es nur den zwei Ganoven (Christoph Späth und Peter Renz) zu verdanken ist, dass sie überhaupt noch zustande kommt.
Denn neben der Choreografie von Otto Pichler und dem Bühnenbild von Klaus Grünberg hält die Inszenierung mit den Kostümen von Alfred Mayerhofer einen weiteren Trumpf bereit, der sticht. Und zwar mit Glitter und Tand. Egal ob Chor, Komparserie oder Tänzer, egal ob männlich oder weiblich, Mayerhofer macht sie alle zu den denkbar schönsten schwulen Cowboys, die die Stadt vorzuzeigen hat. Ihre Stetson und Jeans glitzern derart, dass es einen wirklich wundern würde, sollte noch irgendwo in Berlin auch nur eine Paillette zu finden sein.
Selbstverständlich glitzert und glänzt auch Dagmar Manzel in ihrer Rolle als der Hollywoodstar Lilli Vanessi, der seinem Exehemann Fred Graham aus der Patsche helfen soll. Denn der Leiter einer finanziell angeschlagenen Theatertruppe hofft mit ihrer Hilfe die Aufführung der Shakespeare-Komödie, bei der er Hauptdarsteller, Regisseur und Produzent ist, zum Erfolg zu machen. Leider hat er auch seine Geliebte, die Nachtclubtänzerin Lois Lane, engagiert, die ihren spielsüchtigen Freund Bill Calhoun mitschleppt; und leider kommen die Blumen, die Fred Lois zugedacht hat, bei Lilli an, die sich daraufhin ihre Gefühle für Fred eingesteht – bis sie entdeckt, wem sie wirklich gelten. Das nun führt zu erheblichem Streit nicht nur hinter, sondern auch auf der Bühne. Ein Glück also, dass nun die Ganoven auftauchen, die bei Fred die Spielschulden von Calhouns eintreiben wollen und die Fred nun auf Lilli ansetzt …
Aber Dagmar Manzel glitzert und glänzt nicht wegen ihres Kostüms, sondern weil sie nicht nur die Songs, sondern auch den alten Theaterhasen, als den Barrie Kosky die Rolle der Lilli interpretiert, so ohne jeden falschen Ton extemporiert: „Immer setz ick det verdammte Ding falsch uff“, den alten Witz um die Perücke, die Lilli zu Kate macht, den muss man schon wirklich cool rüberbringen, damit er kommt. Nein, keine Frage, Manzel ist grandios und Roger Smeets als Fred/Petrucchio ist ihr gewachsen. Sigalit Feig als Lois wiederum fehlt zu ihrem Augen-Make-up noch die aufgetürmten Haare von Amy Winehouse’ Farah-Diba-Punk, damit man – jedenfalls optisch – meinen könnte, die britische Soulsängerin stünde auf der Bühne. Soul ist bei Cole Porter natürlich nicht zu hören (stattdessen zwischendurch mal Monteverdi, jedenfalls in der Komischen Oper). Cole Porter bringt die absolut urbane Symphonie aus Jazz, wundervollen Songs und brillanten Lyrics zu Gehör, Hits, die so leicht sind, dass man bis heute alles mit ihnen machen kann – was die Komische Oper glücklicherweise zu nutzen versteht.
Was auch Barrie Kosky weidlich zu nutzen versteht, wenn er seine Komödie der Irrungen und Wirrungen als Revuetheater im schwulen Saloon inszeniert, also leichthin Cole Porters Homo- oder Bisexualität mitthematisiert und seinen (nicht aus „Kiss me Kate“ stammenden) Song, der erst einem Philosophen und dann einer ganzen Epoche den postmodernen Slogan vom „Anything Goes“ gab. Apropos „Anything Goes“, einzig die Frage, ob wirklich alles geht, ob es wirklich eine so dolle Tradition ist, dass in der Komischen Oper immer Deutsch gesungen wird, irritierte (wie schon zuletzt bei Puccini). Aber sonst war „Kiss me Kate“, wie einer der Hits schlicht und wirklich auf Deutsch besagt, nur „wunderbar“.
Nächste Vorführungen: 6., 7., 14. Juni, jeweils 19 Uhr