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Archiv-Artikel

Stille Post beim Traditionsverein

Hat ein Missverständnis dazu geführt, dass der VfB Lübeck im schleswig-holsteinischen Landespokal patzte? Mit der Teilnahme am DFB-Pokal jedenfalls wurde es nichts – dabei hätte der VfB das dort winkende Geld so dringend nötig

Bis heute, 15.30 Uhr, hat der VfB Zeit, die Deckungslücke von rund 300.000 Euro im Etat zu schließen

Wendet man einfach mal ganz kühn die Chaostheorie an – und solche Gedankenspiele haben im Fall des VfB Lübeck ihre Berechtigung –, dann könnte ein kurioses Beispiel für „stille Post auf dem Fußballfeld“ den Traditionsklub um die Sanierung gebracht haben – und damit den Verbleib in der Regionalliga.

Es geschah in der 82. Minute des Endspiels um den schleswig-holsteinischen Landespokal zwischen Gastgeber Holstein Kiel und dem VfB, dessen Sieger sich für die erste Runde des lukrativen DFB-Pokals qualifiziert. Da wechselte Lübecks Trainer Uwe Fuchs zur allgemeinen Verwunderung den Kapitän, Routinier und zukünftigen Sportchef Dietmar Hirsch aus. Reichlich verdutzt, suchte Hirsch noch an der Seitenlinie das intensive Gespräch mit seinem Trainer. Dabei stellte sich schnell heraus, dass alles ein großes Missverständnis war. „Es gab die Info vom Spielfeld, dass ‚Didi‘ nicht mehr konnte. Als wir gemerkt hatten, dass dies falsch war, hatte der eingewechselte Alex Caruso schon einen Fuß auf das Spielfeld gesetzt. Damit war es zu spät“, sagte Fuchs nachher. Zehn Minuten nach dem Spielerwechsel traf der Kieler Christian Jürgensen zum 1 : 0. Kurz darauf war Schluss. Das Tor des Tages war über die linke Abwehrseite des VfB eingeleitet worden – da, wo Hirsch zuvor gespielt hatte.

Ja, Vorsicht bei Äußerungen zur eigenen Befindlichkeit auf dem Fußballfeld. Der Mitspieler hört mit. Aus einem „Ich habe noch so viel Kraft, dass ich Bäume herausreißen könnte“ kann auch schon mal ein „der Hirsch sagte so etwas, dass er sich schon mal besser gefühlt habe“ werden – und letztlich, bis die Information von Spieler zu Spieler bis an die andere Seitenlinie übermittelt wurde, ein „der Hirsch ist so etwas von platt. Der muss raus, und zwar sofort!“.

Sicher ist, dass dem VfB Lübeck durch die Finalniederlage viel Geld entgangen ist. Bis zum heutigen Freitag, 15.30 Uhr, hat der Verein noch Zeit, die Deckungslücke von rund 300.000 Euro im 1,4 Millionen-Etat zu schließen, um vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) die Lizenz zur Teilnahme an der dreigleisigen Regionalliga zu erhalten. Andernfalls wird das Insolvenzverfahren eröffnet – und Lübeck steigt ab in die fünftklassige Verbandsliga.

„Die Qualifikation für den DFB-Pokal wäre ein Impuls dafür gewesen, schnell mit einem lachenden Gesicht über die letzten Hürden zu springen“, sagte VfB-Präsident Wolfgang Piest. Nach dem Schlusspfiff in Kiel mochte er nicht mal mehr lächeln vor Enttäuschung. Gut 100.000 Euro hätte die Teilnahme am DFB-Pokal auf alle Fälle eingebracht – mit Aussicht auf mehr.

Ein Triumph in Kiel hätte auch Piest selbst enorme Erleichterung verschafft: Der VfB beherrscht seine Gedanken. „Ich bin als eingeborener VfB-Fan plötzlich in die operative Situation gekommen“, sagt der 60-Jährige. „Das war wie bei einem Viererbob, aus dem alle vier Insassen auf einmal verschwunden waren.“ Mitte Februar stieg er, um im Bild zu bleiben, in den Bob. Wie groß die Aufgabe war, stellte sich erst in den folgenden Wochen heraus. „Das übersteigt alles, was man in einem Ehrenamt machen kann“, sagt Piest, der sonst eine Schule leitet, „aber weglaufen ist nicht meine Art. Ich sehe, was die Sanierung anbelangt, schon Land.“ Ab Freitag berät der DFB-Lizenzierungsausschuss über die Zukunft des VfB Lübeck. CHRISTIAN GÖRTZEN