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Archiv-Artikel

urdrüs wahre kolumne Immer wieder die weiße Taube!

Just unterhalb meines Arbeitszimmers in der Altstadt spielt ein ziemlich brillanter Akkordeonist schwermütige russische Volksweisen und hat mich dadurch über eine Stunde lang gehindert, mein Tagwerk anzutreten. Nun aber ist er in eleganter Wendung über einen Musette-Walzer bei „Bella Ciao“ angelangt. Prompt fühle ich mich diszipliniert als Partisanenkämpfer des Alltags und kann beginnen – dank Dir, o Straßenmusikant!

Hannover indessen zittert an diesem Wochenende ausnahmsweise nicht über Besucher der punkigen Chaostage, sondern sieht dem Ansturm von mehr als 1.500 Harley-Davidson-Fahrern entgegen, die sich auf Einladung der bekannten Halbweltgröße Frank Hanebuth auf dem abgeschirmten Freigelände eines lokalen Fickificki-Clubs treffen, aber ausweislich örtlicher Medien zum Teil auch als „sehr nette TUI-Reisegruppe“ im Fünf-Sterne-Hotel untergebracht sind. Vermutlich reisen schon die Tourismusförderer aus Bremen und Hamburg an, um diese Zielgruppe zum jeweils nächsten Hafengeburtstag einzuladen.

Szene im mittelständischen Reisebüro in Bremen-Walle: „Meinense, man kann da ruhig hinfahren, nach Slowenien, trotz des AKW-Unfalls?“ Kritischer Blick des Manns am Counter auf die etwa 60-jährige Kundschaft: „In Ihrem Alter gibt’s da wohl keine Bedenken mehr – aber müssense natürlich selbst wissen.“ Schon verstanden!

Wie der Staat die Familie mit ihren internen Problemen allein lässt, zeigte sich jetzt wieder mal in Nienburg. Ein 82-jähriger Verkehrssünder, der immer wieder am Steuer auffällig wird, obwohl er die Pappe längst verloren hat – er wurde jetzt nach erneuter Straftat „der Obhut seiner Tochter übergeben“. Und nun? Soll sie die Hüterin eines offenbar Unverbesserlichen sein?

Erschreckend jung ist der 25-jährige Niedersachsen-Liberalinski Björn Försterling und stammelt doch auch schon so ein wirres Zeug wie: „Es kann nicht sein, dass unsere Schüler zu Alt-68ern erzogen werden.“ Zeug’ du erst mal ein paar Kinder und dann wirste schon sehen, was passiert, wenn du die nach der neoliberalen Maxime „Freie Bahn dem Tüchtigen“ erziehst!

Ehrungen für Hamburger Jungs der Generation „Wir um 60“ in Wachs und Platin: Otto der Außerfriesische wandert ins „Panoptikum“, Lindenbergs Udo kriegt Edelmetall für 450.000 verkaufte Scheiben. Das muss meine Hamburger Lieblingsband „Gruppe Gutzeit“ (vormals „Peter, Paul & Barmbek“) erst mal nachmachen, die am kommenden Freitag Release-Party im Café SternChance feiert für ihr Album „Ein Schrei geht durch das Land“. Wo aber bleibt in diesem Reigen Freddy? Dem Jungen von St. Pauli (wie auch allen LeserInnen dieser Zeilen) wünscht alles erdenklich Gute zumindest für dieses Wochenende ULRICH „La Paloma“ REINEKING PS. Ein Fall von Magie: der Mann von unter meinem Arbeitszimmer, er fängt gerade wieder an – mit dem Lied von der Weißen Taube!

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, will die Gefährlichkeit eines AKW-Unfalls immer noch selbst einschätzen.