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Archiv-Artikel

Der 5. September 2008 wird wiederholt

Arte und RBB planen ein ambitioniertes Fernsehprojekt: Sie wollen 80 Kamerateams quer durch die Stadt schicken, um den Berliner Alltag einzufangen. Das Ergebnis: ein 24 Stunden langer Film, der im September 2009 ausgestrahlt wird

Sascha Lobos Stammcafé kommt ins Fernsehen – am 5. September 2009. Auf den Tag genau ein Jahr zuvor wird sich ein Kamerateam rund um die Uhr an die Fersen des digitalen Bohemiens mit dem rot gefärbten Irokesenschnitt heften, ihn beim Arbeiten im „Liebling“ am Helmholtzplatz beobachten, beim Telefonieren mit Auftraggebern und Kollegen, beim Essen und vielleicht auch beim Frisieren morgens im Bad. Alltag eben.

Lobo ist einer von etwa 15 Protagonisten des Mammutfernsehprojekts „24h Berlin“ von RBB und Arte, das am Freitag im Radialsystem vorgestellt wurde. 80 mit modernster HD-Technik ausgerüstete Kamerateams unter Leitung so renommierter Regisseure wie Romuald Karmakar, Volker Koepp und Andres Veiel werden im Einsatz sein und quer durch alle Kieze und Milieus drehen, drehen, drehen, um eine Essenz des Lebens in der deutschen Hauptstadt im Spätsommer 2008 einzufangen. „Das hat nichts mit ‚Sinfonie einer Großstadt‘ zu tun“, stellte der Initiator Volker Heise klar. „Das war Film, ‚24h Berlin‘ ist Fernsehen. Das ist mir sehr wichtig.“

„Beim Kaffeetrinken und Rolltreppengucken“ am Hauptbahnhof hatte Heise vor zwei Jahren die „wirklich blöde Idee“ (so stellte er sie seinem Geschäftspartner Thomas Kufus jedenfalls vor), aus der das mit Abstand ambitionierteste Projekt der gemeinsamen Produktionsfirma zero one film werden sollte. Dabei hat schon ihre ARD-Dokuzeitreise „Schwarzwaldhaus 1902“ für Furore gesorgt und 2003 den Grimme-Preis gewonnen.

„ ‚24h Berlin‘ ist ein Projekt, das es in dieser Form in diesem Universum noch nicht gegeben hat“, trommelte Radio-Eins-Moderator Volker Wieprecht für das multimediale Abbild seiner Stadt, während draußen vor der streng bewachten Tür des Radialsystems die Kollegen von Radio Multikulti mit Sambatrommeln lautstark gegen die Schließung ihres Senders demonstrierten. Ermöglicht wird das laut Produzent Kufus im „Kernprojekt“ 2 bis 3 Millionen Euro teure 24-Stunden-Fernsehprogramm, zu dem auch die gestern freigeschaltete Website www.24hberlin.tv gehört, von zahlreichen Sponsoren, Partnern und einem achtköpfigen Beirat – darunter RBB-Intendantin Dagmar Reim, Berlinale-Chef Dieter Kosslick und Senatskanzleichefin Barbara Kissler. Prominente Paten unterstützen „24 h Berlin“. Zu ihnen gehören neben Paul van Dyk, Sasha Waltz und Hertha BSC auch Volker Wieprecht und sein Kollege Robert Skuppin.

Ihrer gewohnt schlagfertigen Moderation war es zu verdanken, dass das Defilee der Unterstützer nicht zur langatmigen Geduldsprobe geriet. Höhepunkt des Auftakts war jedoch ein rund achtminütiger Trailer, der in der Tat neugierig machte auf „24h Berlin“. Er warf Schlaglichter auf die Stadt. „Mein Traum war immer ein eigenes Haus, ein rotes Auto und ein Langhaarkater“, sagte da eine Mutter in Hönow. In Moabit gibt’s Wurstbrötchen und christliche Lieder bei der Stadtmission. Und irgendwo in der Stadt spritzen sich Junkies in einer öffentlichen Toilette Heroin in den Bauch. „Auch die Junkies gehören zu dieser Stadt“, sagte Volker Heise. „Wir müssen an alle Situationen des Lebens ran – auch wenn’s manchmal wehtut.“

„24h Berlin“ – das heißt auch, dass die Zuschauer 24 Stunden lang auf das Programm von Arte und dem RBB verzichten müssen – allerdings nicht ganz. Die „Abendschau“ soll auch am 5. September 2009 produziert werden – wo und wie genau sie zu sehen sein wird, wurde allerdings bei der Auftaktveranstaltung nicht klar. Wieprecht bemühte sich trotzdem um eine Zusammenfassung: „Die ‚Abendschau‘ fällt also nicht aus, sie ist nur nicht zu sehen.“

DAVID DENK