: Bescheidener Häuserkampf
Obwohl gut 50 ihrer Wohnungen in Sebaldsbrück zum Teil völlig marode und gesundheitsgefährdend sind, weigert sich die Bremische, irgendetwas zu sanieren. Verkaufen will sie aber auch nicht
von Jan Zier
Wer am Sebaldsbrücker Sacksdamm wohnt, erwartet vom Leben keinen Luxus. Allenfalls das, was die meisten anderen in dieser Stadt für selbstverständlich halten. Schon daran hapert es, aber das ist es gar nicht, was die Menschen hier aufregt. Es ist der muffige Geruch ihrer alten Häuser, der sie auf die Straße treibt, die kaputten Schornsteine darauf, die maroden Fußböden darin, die Risse in den Wänden und der Schimmel daran. Vor allem aber die Tatsache, dass die Bremische Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau daran auf absehbare Zeit nichts ändern wird.
Ordentlich heizen und lüften hilft hier nicht gegen den Schimmel, denn dazu bedürfte es erst einer ordentlichen Heizung. Anfangs, zu Zeiten der Weimarer Republik, wurden keine eingebaut, bis heute stehen hier zumeist nur Öfen, oft mit Holz befeuert. In manchen Zimmern. Auch Warmwasser gibt es nicht in jedem dieser eingeschossigen Bauten. Und das Badezimmer haben sie oft auch selbst eingebaut, auf eigene Kosten.
„Aber das alles haben wir gewusst, als wir hierher zogen.“ Elke Meerkötter gehört zu jenen, die sich im Grunde nicht beschweren wollen. Und doch hat sie jetzt eine Bürgerinitiative (BI) mitbegründet, Unterschriften gesammelt, den grünen Bausenator Reinhard Loske mit eingeladen, den SPD-Sozialstaatsrat Joachim Schuster. Die Behörden sind „an der Sache dran“, sagt Loskes Sprecher, man prüfe eine Aufforderung an den Vermieter.
10 Jahre lebt Meerkötter hier schon, auf 30 Quadratmetern plus Garten, die zusammen keine 100 Euro Miete kosten. „Ich fühle mich wohl hier“, sagt sie. Ihr Lebensgefährte hat all seine 75 Jahre am Sacksdamm verlebt. „Die sollen die Risse machen, dann sind wir zufrieden.“ Den Rest würden sie dann schon selbst regeln, in Eigenregie, so wie sie bisher auch. Früher, sagt Simone Helber von der BI, da rief man bei der Bremischen an, und es habe keine zwei Stunden gedauert, dann war der Tischler da. „Heute muss ich betteln“. Und warten. Und aufpassen, derweil nicht durch den Holzfußboden durchzubrechen. Immerhin gibt es jetzt Ein-Euro-Kräfte wie Meerkötter, die hier vier Stunden pro Tag arbeitet, zur „Wohnumfeldverbesserung“, wie sich das offiziell nennt. Doch die endet an der Grundstücksgrenze.
Träger der Maßnahme ist die Waller Beschäftigungsgesellschaft (Wabeq), die hier ein eigenes Büro unterhält. Sie möchte auch gern das ganze Quartier mit seinen rund 50 Wohnungen kaufen und sanieren – doch das will die Bremische nicht. „Egal was zu erlösen wäre“, sagt Geschäftsführer Willi Lehnen: Ein Verkauf stehe jedenfalls in diesem Jahr „nicht zur Debatte“. Eine Sanierung aber auch nicht. In den Konzepten taucht das Gebiet gar nicht auf, derzeit gebe es „noch keine konkreten Planungen“ für das Quartier, sagt Lehnen.
Überhaupt müsse sich der neu konstituierte Besitzer der Bremischen – die Vitus-Gruppe mit Sitz in Mönchengladbach – erst finden. Fünf Wohnungsbaugesellschaften gehören ihr an, zusammen besitzen sie republikweit über 30.000 Immobilien. Bis 2004 gehörten sie noch dem Bremerhavener Milliardär Karl Ehlerding, anschließend wanderten sie in den Besitz des US-Kapitalfonds Blackstone. Auch der hat sie 2007 wieder verkauft, aber an wen – das vermag selbst Willi Lehnen nicht zu sagen.
Am Sacksdamm macht derweil das Gerücht die Runde, ein Abriss drohe – doch zumindest das, sagt die Bremische, ist „nicht wahr“. Ohnedies ist kaum einer der BewohnerInnen bereit, freiwillig auszuziehen. „Wir kämpfen um den Erhalt des Viertels“, heißt es dann, und dass man sich lieber mit dem Bagger raustragen lasse, als selbst zu gehen.
Manch einer, der hier lebt, würde aber auch woanders gar nichts finden, wurde hierher eingewiesen. Wabeq-Pädagoge Joachim Thölken nennt sein zumeist arbeitsloses Klientel hier „bisweilen problembehaftet“. Und doch findet er das Quartier „erhaltenswert“, lobt seine schrebergartengleiche Idylle, das Leben in der Stadt, doch fast wie auf einer Parzelle. Nicht zu vergessen auch die „kommunikativen Strukturen“ hier. Die ihren Ursprung darin haben, dass die meisten „viel Zeit haben“, um sie hier zu verbringen. Nicht immer zur Freude der Nachbarn in den umliegenden Siedlungen.
Nein, sagt Helber, „wir wollen keinen Luxus“. Nur „nicht für den Himmel heizen“. Aber der heutige Standard, sagt sie, das wär schon gut.