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Archiv-Artikel

DIE SPD KANN ES NICHT LASSEN: SIE SCHÖNT SCHON WIEDER EINE STATISTIK Kinderarmut ist staatlich gewollt

Gibt es überhaupt Kinderarmut in Deutschland? Die SPD jedenfalls präsentiert eine seltsam optimistische Zahl in ihrem neuesten Papier: Nur 12 Prozent der Kinder hätten mit einem Armutsrisiko zu kämpfen. Man fragt sich, warum die SPD dann eilends ein Aktionsprogramm gegen Kinderarmut auflegt, wenn angeblich nur ein gutes Zehntel betroffen ist. Das wirkt verdächtig. Und noch verdächtiger ist die Quelle, aus der die SPD zitiert: Es ist der Armuts- und Reichtumsbericht des Arbeitsministers, der schon in der Vergangenheit dadurch auffiel, dass er die soziale Wirklichkeit in Deutschland schönt. Offenbar glaubt die SPD, dass niemand bis zum Anhang des Berichts blättert, wo die ungeschminkte Wahrheit zu finden ist: Von den Kindern unter 16 Jahren sind 26 Prozent arm. Diese Zahl ist deprimierend – und genauso deprimierend ist es, schon jetzt zu wissen, dass die SPD sie weiterhin leugnen wird.

Die Verlogenheit der SPD ist typisch für den Umgang mit der Kinderarmut. So wird jetzt von allen Parteien suggeriert, dass die Kinderarmut demnächst sowieso automatisch geringer würde, weil das Kindergeld steigen soll, sobald der Existenzminimumsbericht im Herbst vorliegt. Das ist eine glatte Fehlinformation. Auch ein erhöhtes Kindergeld ändert nur wenig an der Kinderarmut. Denn die meisten armen Kinder leben in Hartz-IV-Familien – und ihr Kindergeld wird komplett auf die Hartz-IV-Sätze angerechnet.

Den ärmsten Familien wäre daher erst geholfen, wenn die Hartz-IV-Sätze für Kinder und Jugendliche steigen würden. So abwegig ist das nicht. Selbst Unionspolitikern ist inzwischen aufgefallen, dass man 13-jährige Jungen in der Pubertät nicht gesund ernähen kann, wenn nur ein Monatssatz von 208 Euro zur Verfügung steht. Allerdings dürfte der staatliche Zuschlag nur sehr gering ausfallen, denn es soll ja vermieden werden, dass kinderreiche Arbeitslose mehr Geld erhalten als Niedriglöhner. „Lohnabstandsgebot“ heißt dieses Prinzip. Und so dreht sich die Spirale unaufhaltsam nach unten. Je mehr Menschen nur noch Dumpinglöhne verdienen, desto mehr Kinder müssen arm bleiben. Man kann es auch so sagen: Die Kinderarmut ist staatlich gewollt. ULRIKE HERRMANN