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Archiv-Artikel

Selektive Wahrnehmung

Die gefühlte Sicherheit in Bremen ist vergleichsweise hoch, sagt eine Umfrage der Polizei. Gleichwohl wollen viele noch mehr Polizeistreifen, der neue Innensenator will sie vor allem am Sielwalleck

von Jan Zier

Drei von vier BremerInnen fühlen sich in dieser Stadt wohl und sicher. Das sind mehr als etwa in Berlin, viel weniger als im Saarland – aber ähnlich viel wie in den letzten Jahren. Allerdings klaffen gefühlte Unsicherheit in den einzelnen Stadtteilen und reale Kriminalitätsrate ebenda bisweilen weit auseinander. Das ist das Ergebnis einer Befragung der Polizei, an der sich insgesamt 7.258 BremerInnen beteiligten, die älter als 15 Jahre sind. Vollständig repräsentativ ist die Studie indes nicht, weil sie knapp 150.000 BremerInnen mit Migrationshintergrund ebenso vernachlässigt wie hier lebende AusländerInnen.

Besonders unsicher fühlen sich demzufolge die Menschen in Huchting, Kattenturm, Gröpelingen oder Oslebshausen, während Stadtmitte, Schwachhausen, Oberneuland oder die östliche Vorstadt sehr gut abschneiden. Auch die Discomeile mit etwa 500 gemeldeten Körperverletzungsdelikten pro Jahr ist als gefühlter „Angstort“ der Untersuchung zufolge eher von „untergeordneter Bedeutung“ – anders als der Bahnhof.

Am „Unsicherheitsort“ Huchting verzeichnete die Polizei im vergangenen Jahr demgegenüber deutlich weniger Gewaltdelikte als beispielsweise im Steintor oder gar im Zentrum. Dort sei die erfasste Gewaltkriminalitätsrate infolge von Ladendiebstählen „exorbitant hoch“, wie Polizeipräsident Eckard Mordhorst gestern sagte.

Ohnedies spielt unter den wahrgenommenen Problemen der Straßenverkehr eine herausragende Rolle – gerade im Osten der Stadt, wo jedeR Fünfte sich diesbezüglich beschwerte. Dass die Beeinträchtigung allein durch den Verkehr „so massiv sei“, sagte Innensenator Ulrich Mäurer (SPD), das habe er bislang „nicht vermutet“. Weniger häufig als noch vor drei Jahren wurde indes über nicht näher definierte „Migrantenprobleme“ geklagt.

Fast jedeR Dritte gab an, „heute oder gestern“ eine Polizeistreife in der Wohngegend gesehen zu haben. Das sind mehr als in den beiden vorhergehenden Befragungen der Jahre 2001 und 2005, als nur jedeR Fünfte derlei angab. Dennoch wünschten sich mehr als 2.600 Befragte noch mehr Polizeistreifen, insbesondere solche, die zu Fuß unterwegs sind. Mehr Befugnisse für die Polizei, mehr Kontrollen, härtere Strafen oder eine verschärfte Videoüberwachung will jedoch der aktuellen Studie zufolge kaum jemand in der Stadt.

Mäurer hingegen will sich jetzt vor allem der offenen Drogenszene an der Sielwallkreuzung annehmen, weil er den dortigen Zustand für „unerträglich“ hält und „überhaupt nicht“ mit ihm einverstanden ist. Deshalb soll dort künftig noch mehr Polizei präsent sein. Auch wenn er wisse, so Mäurer weiter, dass das „Drogenproblem“ nicht in Bremen zu lösen sei.

Der grüne Innenpolitiker Björn Fecker warnte umgehend vor einem „Verdrängungseffekt“ und sprach sich strikt gegen eine mögliche Videoüberwachung des Sielwallecks aus. Man dürfe nicht nur die „kleinen Händler“ bekämpfen, sagte Fecker, sondern müsse überlegen, wie man „an die Hintermänner“ herankäme. In der Studie hatten insgesamt 446 Befragte die Sielwallkreuzung als „Unsicherheitsort“ benannt.