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Archiv-Artikel

Die Hölle über Berlin

Geschäftsführer Josef Depenbrock lässt beim Berliner Verlag den Sparhammer kreisen. Über ein Drittel der Stellen in der Redaktion der „Berliner Zeitung“ soll wegfallen. Onlinestrategie beerdigt

VON STEFFEN GRIMBERG

Dass die gestrige Redaktionssitzung bei der Berliner Zeitung keine ganz gewöhnliche Veranstaltung sein würde, war klar. Doch der Sparhammer, den Chefredakteur Josef Depenbrock kreisen ließ, könnte auch seinen eigenen Stuhl am Ende mit hinwegfegen. 150 Stellen sollen in den Unternehmen der BV Deutschen Zeitungsholding, zu der auch der Berliner Verlag gehört, wegfallen – „so früh wie möglich“. Kündigungen sind ausdrücklich nicht ausgeschlossen.

Die Zahl der RedaktionsmitarbeiterInnen bei der Berliner Zeitung soll wie befürchtet (taz vom Freitag) von heute rund 130 auf etwa 90 sinken, wobei Sekretariate und Assistenzen eingerechnet sind. Dies sei allerdings eine „grobe Zahl, die nicht das genaue Ergebnis sein müsse“ wird Depenbrock von Teilnehmern der Runde zitiert. Inwieweit das Schwesterblatt Berliner Kurier betroffen ist, war gestern offen.

Und dann war da noch was: Man werde das Onlineengagement des Blattes nun doch nicht weiter ausbauen, verkündete Depenbrock, in Personalunion auch gleich Geschäftsführer des Verlags und deshalb von der Redaktion mit einem Misstrauensvotum belegt. Dies nun ist ein Kurswechsel um 180 Grad und entlarvt auch viele der wolkigen Sprüche von Mecom-Chef David Montgomery dazu, wie wichtig gerade das Internet für die Zukunft der Zeitung sei: Es handelt sich um Luftnummern. Montgomerys in London börsennotierte Mecom-Gruppe hatte 2005 den Berliner Verlag und wenig später auch die Hamburger Morgenpost sowie die nur im Internet erscheinende Netzeitung gekauft. Gerade der Onlinebereich sollte seit Monaten ausgebaut werden, Netzeitungs-Chefin Domenika Ahlrichs rückte sogar in die Chefredaktion der Berliner Zeitung auf mit, so Ahlrichs, „dem klaren Auftrag, für die Verzahnung von Printausgabe und berliner-zeitung.de zu sorgen“. Doch das geplante voll integrierte Großraumbüro, wo man aufs synergetisch Schönste zusammenwerkeln wollte, steht immer noch halb leer. Das soll bei einem seiner letzten Besuche auch Mr Montgomery verärgert haben, nun wird es wohl so bleiben.

Denn jetzt machen die Aktionäre dem britische Medienunternehmer, der ihnen Traumrenditen versprach, Druck. 20 Prozent und mehr wollte Montgomery liefern, gestern musste Depenbrock eingestehen, dass sich die „Renditeerwartungen und das redaktionelle Konzept“ der Berliner Zeitung „schlecht in Einklang bringen ließen“.

Die Hamburger Morgenpost hofft indes, einigermaßen unbeschadet der jüngsten Sparwelle zu entkommen: Rund 1ß der konzernweit 150 Streichstellen dürften nach Insidereinschätzung für Hamburg geplant sein. Doch weitere Stellen gegen den Widerstand der Belegschaft abzubauen sei „höchst unrealistisch“, heißt es beim Betriebsrat.

Und auch an anderen Ecken des europaweit agierenden Mecom-Verbundes gibt es mächtig Zoff: Die Chefredakteure der holländischen Regionalzeitungsgruppe Wegener Niews Media, die 2007 von Mecom geschluckt wurde, haben schon vor zwei Wochen einen geharnischten Brief an Montgomery und die anderen Mecom-Vorstände geschrieben. „Seit dem Kauf sind wir mit einer kurzfristigen Finanzpolitik konfrontiert“, heißt es darin, ein inhaltliche Strategie und Führung fehle „seit Monaten komplett“. Auf diese Weise „unterminiert Wegener seine Perspektiven und kannibalisiert seine eigene Zukunft“. Die Profiterwartungen, die Mecom vorgebe, „haben zu einer Panik geführt, die sich jetzt bis in den letzten Teil unseres Unternehmens verbreitet hat.“ Fragt man bei der Londoner Mecom-Zentrale nach, ob Montgomery das Schreiben der acht Chefredakteure bereits beantwortet habe, heißt es dort lakonisch: Man wisse das im Moment nicht und müsse nachfragen, gehe aber eher nicht davon aus.

Von nackter Panik kann bei der Berliner Zeitung unterdessen keine Rede sein. Dafür haben die MitarbeiterInnen in den letzten Jahren schon zu viel erlebt. Und so versucht man’s mit Galgenhumor: „Heute ausnahmsweise mal keine guten Nachrichten“, fasst ein Mitarbeiter den Start in die neue Woche zusammen.