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Archiv-Artikel

inselkoller „Neue Bälle, bitte!“

Wer will schon 44 behaarte Männerbeine sehen, die hinter einem Ball herjagen, wenn man stattdessen leicht bekleidete Damen betrachten kann, die einen kleinen Ball über ein Netz schlagen? In der britischen Boulevardpresse hat Damentennis den Herrenfußball verdrängt. Es ist ja schließlich Wimbledon-Zeit. Die Sun, das kleinformatige Sudelblatt, druckt jeden Tag bis Turnierende ein Foto eines „tennis babe“ ab. Zur Einstimmung gibt es eine Diashow, bei der man die Spielerinnen bewerten kann – nach ihrem Aussehen, versteht sich, nicht nach ihrem Können. Das hat in Wimbledon Tradition. Im Jahr 1948 trug die US-Spielerin Gertrude Moran, die von den Medien „hinreißende Gussie“ getauft worden war, einen solch kurzen Rock, dass ihr spitzenbesetzter Schlüpfer darunter hervorschaute. Die englischen Fotografen lagen bäuchlings auf dem Boden, um ein paar geile Bilder zu schießen. Heutzutage ist das nicht mehr nötig, die Spielerinnen haben sich den Wünschen der Boulevardblätter gebeugt, damit sie in den Blättern erwähnt werden. Man kann es sich vorstellen, wie die sabbernden Sun-Redakteure dem Foto einer hüpfenden Spielerin mit hüpfenden Brüsten die Überschrift verpassen: „Neue Bälle, bitte.“ Neue Hirne, bitte. Oder lieber Fußball. RALF SOTSCHECK