: Nicht besonders klug
betr.: „Faruk Sen droht der Rauswurf“, Falscher Fürsprecher“, taz vom 27. 6. 08
Die Äußerungen Sens, so wie sie kolportiert wurden, sind nicht besonders klug. Die strikte Abweisung jeder Art Vergleichbarkeit mit den Juden im Dritten Reich, die Einmaligkeitsthese in Bezug auf den Holocaust erfüllen heute aber in der Regel einen anderen Zweck: Einerseits wird daraus die bedingungs- und kritiklose Anerkennung des modernen Siedlerstaats Israels abgeleitet, andererseits werden bewusst die Augen vor neuen Rassismen, institutionell geschürt und medial gefördert, geschlossen. Hier ist vor allem die Islamophobie – der Rassismus gegen Anhänger einer bestimmten Religion! – zu nennen.
Ja, etwas wie der Holocaust ist nur einmal passiert, Ähnliches wie der Holocaust im Sinne einer Massenvernichtung von Menschen passierte und passiert immer wieder. Mike Davis hat beispielsweise ein atemberaubendes Buch geschrieben mit dem englischen Titel „Late Victorian Holocausts“ (deutsch: Die Geburt der Dritten Welt), in dem er die Verantwortung des britischen Kolonialismus an den Hungersnöten und dem Massensterben (12 bis 30 Millionen Tote) in Indien Ende des 19. Jahrhunderts beschreibt. Und ja, türkische Zuwanderer wie osteuropäische wie arabische wie afrikanische werden nach wie vor diskriminiert. Wer das nicht erkennen will, macht sich mitschuldig, wenn es zu einer nationalistisch-rassistischen Zuspitzung kommt. HANNE BOSCH, Osnabrück