: Späte Wiedergutmachung
Der große Bremer Theaterintendant Kurt Hübner wird postum vom Senat geehrt, ein Platz wird nach ihm benannt – Zeit, um auch an ein düsteres Kapitel bremischer Kulturpolitik zu erinnern
Von Felix Zimmermann
Ein fester Zug am Seil, und schon glitt das weiße Tuch unter Applaus zur Seite – das war der Moment, der unter hohen Ahornbäumen gestern Mittag Kurt Hübner nach Bremen zurück brachte, jedenfalls die Erinnerung an den Intendanten des Bremer Theaters von 1962 bis 1973 mittels eines Straßenschildes bewahren soll.
Helle und dunkle Flecken malte das Blätterdach der Bäume mit Hilfe des Sonnenlichts auf jenen Platz an der Schlachte, der nun nach Hübner benannt ist. Hell und dunkel, wie von einem klugen Regisseur inszeniert, denn so jubelerfüllt so eine Platzbenennung auch sein mag – immer wieder war auch zu hören, wie schamhaft diese Ehrung ist, weil sie so spät kommt.
Zu spät etwa für Hans-Jürgen Punte, den Lebensgefährten Hübners, knapp ein Jahr nach dem Tod des damals 90-jährigen Hübner. „Man hätte das früher haben können, dann wäre es für alle einfacher gewesen und schöner“, sagte Punte am Vormittag. Da trat er im Festsaal der Bürgerschaft auf, um mit Hübners Tochter Katharina Wagner die Senatsmedaille für Kunst und Wissenschaft aus den Händen des Bürgerschaftspräsidenten Christian Weber entgegen zu nehmen. „Jetzt ist es so gekommen, dass wir als Stellvertreter da sind“, ergänzte Wagner, aber – immerhin – ihr Vater habe ja davon gewusst, dass er geehrt werden sollte. Der Senat hatte das bereits am 6. Juni 2006 beschlossen, weil Hübner aber schon schwer erkrankt war, konnte die Medaille nicht persönlich übergeben werden. Für Wagner ist das wichtig, denn dadurch sei klar, dass es keine Ehrung ist, die man einem, der Großes getan hat, aber – vor allem bei den Entscheidungsträgern seiner Zeit – ungeliebt war, bewusst erst postum verleiht, damit man ihm nicht noch einmal begegnen muss. Das mag zynisch klingen, aber genau das war Hübners Dilemma in seinen elf Bremer Jahren: Er machte großes Theater, aber den Beharrern in Politik und Gesellschaft war er zu aufrührerisch. Einer, der unter dem damaligen Kultursenator Moritz Thape fortgejagt wurde und nach Berlin ging.
Bürgerschaftspräsident Weber erinnerte an dieses düstere Kapitel bremischer Kulturpolitik in – dank Hübner – eigentlich leuchtender Zeit. Von seiner Sekretärin Christine Naber, einer jedenfalls in Hübners Zeiten regelmäßigen Theaterbesucherin, ließ sich Weber, der damals noch nicht in Bremen war, erzählen, wie großartig es damals im Haus am Goetheplatz gewesen sein muss. Und man erahnt etwas davon, auch wenn man selbst noch nicht einmal auf der Welt war. „Drinnen im Theater und draußen in der Stadt habe man ständig diskutiert, sei immer etwas in Bewegung gewesen. Und im Schwimmbad habe sie im Sommer Handtuch an Handtuch mit Bruno Ganz auf dem Rasen gelegen“, berichtete Weber von Naber über Hübner.
Der holte Menschen an sein Haus, die längst Legenden geworden sind: Neben Ganz etwa Peter Stein, Peter Zadek, Rainer Werner Fassbinder. Ein Talentsucher, der das Theater prägte, obwohl bestimmte Kreise ihn nicht wollten. Weber verknüpfte die Erinnerung an Hübner und das „skandalöse Ende seines Engagements“ mit der Erinnerung an die letzte Krise des Bremer Theaters, als „Teile der Politik“ am Ende der Ära des Intendanten Klaus Pierwoß laut darüber nachdachten, „dass ein Stadttheater sehr wohl pleite gehen könne“. Beinahe hätte die Politik wieder gepfuscht, um das Mehrspartenhaus zu beschneiden und auf Linie zu bringen. Hübner eilte Pierwoß zur Hilfe, kurz vor seinem Tod war das.
Jetzt ist er doppelt geehrt, und Punte fand ein schönes Bild: Mit dem Eintrag ins Goldene Buch der Stadt 2001 sei das Kriegsbeil auf den Boden gelegt worden, jetzt habe man es eingegraben.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen