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Archiv-Artikel

Lehrer verzweifelt gesucht

Überstundenregelung für Niedersachsens Lehrer weiter umstritten: Fehlen wegen der Abbummelei von Mehrarbeit ab August 400 Pädagogenstellen im Land? Klar ist eines: Der Arbeitsmarkt für Lehrer ist eng

Es gibt weiter Krach um die Überstunden von Niedersachsens Lehrern. Mit einem „Zahlenverwirrspiel“ lenke die Landesregierung von ihrer „Konzeptionslosigkeit bei der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung“ ab, sagte am Mittwoch die grüne Schulpolitikerin Ina Korter. Ihrer Ansicht nach fehlen im kommenden Schuljahr 650 Pädagogenstellen im Land, da Lehrer Überstunden abfeiern oder wieder normal arbeiten. Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) verkündete dagegen im Landtag, 250 neue Lehrer reichten.

Das Kabinett werde in seiner Klausur in der kommenden Woche die Stellen bewilligen, versprach Regierungschef Christian Wulff (CDU). „Spektakulär“ sei der „Stellenaufwuchs“, lobte sich Wulff. Und drehte den Spieß um: Sieben Millionen Euro Zinsen zahle das Land pro Tag. Schuld: die Vorgängerregierungen, also Rote und Grüne. „Christians Märchenstunde“, kommentierte SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner.

Bei den Überstunden hatte sich die Wulff-Truppe ins Abseits regiert: Erstmals in der Geschichte Niedersachsens demonstrierten im Mai alle Lehrerverbände vereint gegen Heister-Neumann. Der Vorwurf: Vertrauensbruch. Heister-Neumann kassierte ihren Plan, das vor zehn Jahren zugesagte Abbummeln der Lehrer-Überstunden auf die Zeit kurz vor der Pensionierung zu verschieben. 1998 waren die Lehrer zu zwei Stunden Mehrarbeit pro Woche verdonnert worden, um steigende Schülerzahlen abzufangen.

Doch auch die nun beschlossene Regelung bereitet Probleme: Von den 7.000 Lehrern, die über ihre Überstunden entscheiden durften, haben 1.800 eine sofortige Auszahlung in Geld oder ein Abbummeln mit Zinsen in vier Jahren gewählt. Engpässe bereiten jedoch nicht nur 4.600 Lehrer, die nach diesen Sommerferien wieder kürzer arbeiten wollen. Laut Grünen und SPD hat das Ministerium schlicht „übersehen“, dass es nicht nur Abbummler gibt, sondern weitere 10.000 Pädagogen, die ab sofort keine Überstunden mehr leisten. Heister-Neumann sagte hingegen, die umstrittenen 400 Stellen seien „längst ausgeschrieben“.

Die „echte Herausforderung“ liege darin, diese Pädagogen auf dem „ausgesprochen knappen“ Arbeitsmarkt zu bekommen. Die Niedersachsen fahnden bereits in Thüringen nach Pädagogen in Mangelfächern wie Mathe und Biologie, Pensionäre sollen in den Schuldienst zurückkehren. Die CDU fordert mehr Geld für Quereinsteiger, wie es bereits in Hessen bezahlt wird. Dort wird per Anzeigen nach Pädagogen gesucht. KAI SCHÖNEBERG