Mehr Öffentlichkeit bei Medienunternehmen: Der unbekannte Riese
Die Südwestdeutsche Medienholding ist Deutschlands zweitgrößter Zeitungskonzern. Jetzt bekommt der rätselhafte Großkonzern aus Stuttgart eine neue Führung.
Es ist immer noch ein ungewohntes Gefühl, bei der Südwestdeutschen Medienholding (SWMH), Deutschlands zweitgrößtem, aber eher unbekanntem Zeitungskonzern anzurufen und tatsächlich eine Pressestelle zu erreichen. Bislang wollte sich der Konzern, dessen Zeitungsreich von der Pfalz bis nach Oberbayern reicht und vom Schwarzwald bis in die Uckermark, kaum in die Karten gucken lassen.
Dabei ist die SWMH seit der Mehrheitsübernahme des Süddeutschen Verlags 2008 die größte deutsche Abozeitungsgruppe - mit knapp zwei Millionen Exemplaren täglich. Doch seit Juli spricht tatsächlich jemand für den Verlagsverbund, dem neben vielen Regionalzeitungen mit der Stuttgarter Zeitung und der Süddeutschen Zeitung auch zwei beachtliche Dickschiffe angehören.
Formal ist die SWMH allerdings kein geschlossener Block, sondern ein kompliziertes Geflecht aus selbstständigen Verlagen. Die wichtigsten sind die Medien Union der Gebrüder Schaub aus Ludwigshafen, der Schwarzwälder Bote aus Oberndorf und die Südwest Presse (Ulm) des Verlegers Eberhard Ebner.
Ebner steht wiederum der Gruppe Württembergischer Verleger vor, die wie die Medien Union rund 44 Prozent der SWMH-Anteile hält. Mit der vertrackten Konstruktion hat selbst das Bundeskartellamt seine Schwierigkeiten: Jahrelang wurde gestritten, ob die Medien Union wettbewerbsrechtlich zur SWMH zu zählen ist. Mit dem Zukauf der Süddeutschen-Mehrheit nebst angeschlossener Titel im bayerisch-thüringischen Grenzgebiet wurde die Lage noch etwas unübersichtlicher.
Keinen Durchblick
So unübersichtlich, dass der Konzern mittlerweile wohl selbst nicht mehr durchblickt. Und jetzt eine Doppelspitze einführt: Neben dem Schwarzwälder-Boten-Verleger Richard Rebmann führt bald der bisherige Pharmamanager Alexander Paasch die SWMH-Geschäfte.
Paasch (42) arbeitet bislang bei der Stuttgarter Celsio AG, einem der größten deutschen Arzneimittelgroßhändler. Der neue Mann soll im ersten Halbjahr 2012 an Bord kommen und vor allem für die kaufmännischen Bereiche zuständig sein, so die SWMH; Grund des Ganzen sei das beträchtliche Wachstum der Gruppe.
"Mit Herrn Paasch ergänzen wir die Geschäftsführung der SWMH um einen jungen, gleichwohl erfahrenen Kaufmann, der in einem internationalen Unternehmen komplexe Strukturen und Prozesse konzipiert und etabliert hat", lässt SWMH-Aufsichtsratschef Oliver Dubber per Pressemeldung verkünden. Rebmann bleibt allerdings Oberboss, Paasch wird ihm nicht gleichgestellt.
2013 soll außerdem noch der bisher für die WAZ in Thüringen arbeitende Martin Jaschke zur SWMH stoßen und dann die Tochterfirma Medienholding Süd übernehmen. Um komplexe Strukturen und Prozesse geht es dabei wirklich. Denn zum einen drücken den Konzern immer noch die Schulden, mit denen die Übernahme der Süddeutschen finanziert wurde. Und zum anderen scheint auch Rebmann bei den ganzen Unter- und Tochterfirmen nicht mehr alles im Griff zu haben.
Ausgerechnet bei "seinem" Schwarzwälder Boten wird seit Monaten gestreikt. Das bringt Ärger, kritische Berichterstattung und Unruhe - was die anderen SWMH-Gesellschafter allen neuen Trends zu mehr Offenheit zum Trotz gar nicht gern sehen. Derzeit ist der Streik ausgesetzt, man verhandelt am 20. Dezember weiter.
Die neue Doppelspitze stößt bei einzelnen SWMH-Titeln auf Skepsis. Die Stuttgarter Nachrichten dekorierten den Bericht über das neue Duo nur mit einem dpa-Bild, auf dem zwei leere Stühle zu sehen sind.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich