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Archiv-Artikel

Die Schule der 68er

Die Grundschule an der Kirche St. Katharinen soll abgerissen werden, um Platz für Wohnen und Arbeiten zu schaffen. Gestern wurde der Entwurf des Wettbewerbs-Siegers vorgestellt

VON MAXIMILIAN PROBST

Hinten rauscht der Verkehr der Willy-Brandt-Straße. Nach vorne öffnet sich die Grundschule an der St. Katharinenkirche fast idyllisch auf Hamburgs ältestes Kirchspiel. Wahrscheinlich nicht mehr lange. Denn die Schule wird bald in die Hafencity umziehen. Der exemplarische 50er Jahre-Bau soll abgerissen werden. Auf dem Gelände plant die Hochtief Projektentwicklung bis 2011 ein neues Stadtquartier mit Wohn- und Geschäftsraum.

Gestern wurde der Siegerentwurf für das Stadtquartier in der Katharinenkirche vorgestellt. Er stammt von den Architekten Darlington Maier aus Zürich und sieht vor, das 8.500 Quadratmeter große Gelände mit drei etwa gleich großen Baukörpern zu bestücken, die sich um einen Innenhof gruppieren. Nach Norden soll ein Gebäuderiegel das Areal zur Willy-Brandt-Straße abschirmen. Die beiden anderen fünf- bis sechsgeschossigen Baukörper sollen sich in aufgelockerter Form bis zur Kirche erstrecken und Platz für rund 120 Eigentums- und Mietwohnungen bieten. Insgesamt sind etwa 22.000 Quadratmeter oberirdische Grundfläche geplant, wovon 60 Prozent auf die Wohnbebauung fallen sollen.

Das ist es, was Markus Schreiber, Leiter des Bezirksamts Mitte, besonders überzeugte. „Wir brauchen mehr Wohnungen in der Stadt, um eine lebendige City zu bekommen“, sagte er gestern bei der Präsentation des Entwurfs. Einige Erfolge habe man in den letzten Jahren schon erzielt. Während 1986 die Einwohnerzahl von Hamburg-Mitte noch bei knapp 10.000 gelegen habe, seien 2006 bereits 11.700 Bewohner gemeldet gewesen, ein Zuwachs von fast 20 Prozent.

Auch Oberbaudirektor Jörn Walter zeigte sich von dem Entwurf überzeugt. Das Areal zwischen der Katharinenkirche und der Willy-Brandt-Straße habe einen besonderen Charakter, dessen Eigenheiten im Krieg zerstört und danach nicht wieder aufgebaut worden seien. „Der Schweizer Entwurf nimmt die Historie sensibel auf und schafft eine räumlich abwechslungsreiche Verbindung“, sagte Walter gestern. Für gelungen erachtete er auch, dass der Entwurf „nicht zu laut“ daherkomme und so nicht in Konkurrenz zur Kirche trete.

Tatsächlich ist der Entwurf alles anderes als gewagt. Er knüpft an die Backsteinarchitektur der 20er Jahre an. Es sind große, schnörkellose Kuben, die festgefügte Beständigkeit vermitteln. Während aber Fritz Schuhmacher und seine Kollegen in diesem Stil Sozialwohnungen bauten, sollen die Gebäude an der Katharinenkirche heute einem gutbürgerlichen Klientel „exklusives Wohnen“ bieten, wie es bei Hochtief heißt. Was natürlich nicht heißen soll, beeilt sich Matthias Tscheuch, Leiter der Niederlassung Nord von Hochtief, zu versichern „dass wir hier eine gated community bauen wollen.“ Nein: abgeschlossen werden soll der Innenhof nicht. Aber er ist auch nicht dazu entworfen, dass man ihn betritt, ohne sich zugleich als Eindringling zu empfinden.

Bedenken, den alten Schulbau aus den 50er Jahren abzureißen, scheint es bei allen Beteiligten nicht zu geben. Die Schule wurde zwischen 1956 und 1961 vom Hamburger Architekten Paul Seitz gebaut, der etwa auch für den Philosophenturm der Hamburger Universität verantwortlich war. Sie besteht aus drei leichten, lichten Baukörpern, die mit Laubengängen verbunden sind. Errichtet sind sie in Klinker, im Unterschied zu dem Schulbauten Fritz Schuhmachers allerdings mit offengelegten Stahlbetonkonstruktionen.

Kaum eine Architektur ist denkbar, die offener, ehrlicher und bescheidener auftreten könnte als diese Art von Schulbau. In den als bleiern verschrieenen 50er Jahren war sie mit ihrer demokratischen Vernunft, die auf Ausgleich zielte, ihrer Zeit weit voraus. Es war die Architektur der Kindheit der 68er – die Schule, aus der diese Bewegung im Wortsinn hervorging.