: McCain hat’s schwer
Wechseljahr 2008 (25): Wie fühlt sich Amerika? Dagmar Herzog über die Verfasstheit einer Changing Nation
John McCain leidet etwas unter dem Aufmerksamkeitsdefizit der gegenwärtigen US-amerikanischen Medienberichterstattung. McCains Beliebtheit unter Reportern ist zwar berühmt-berüchtigt, aber er kann trotzdem nicht Schritt halten mit der Flut der Reportagen zum Thema „Phänomen Barack Obama“. Im Vorfeld von Obamas kleiner Weltreise beispielsweise konnte McCain schlicht nicht konkurrieren. Führende Fernseh- und Radioleute waren selbst so aufgeregt, dass sie mitreisen und über internationale Reaktionen spekulieren durften, dass die Reportagen ohne Frage zu kostenloser Werbung für den demokratischen Kandidaten wurde.
Aber das Problem ist noch größer: McCain hat es schwer, überhaupt Aufmerksamkeit für seine Botschaften zu bekommen (ganz zu schweigen von dem Problem, dass sich selbst sein eigener Stab nicht einig ist, was denn nun die Botschaften sein sollen). Auch McCains stärkstes Thema – der Krieg gegen den Terror – interessiert Amerikaner immer weniger. Laut CNN ist das Interesse der Wähler an diesem Sujet auf dem tiefsten Punkt seit dem 11. September 2001. Beim Durchlesen pro-republikanischer Artikel fällt ferner auf, dass die Autoren Schwierigkeiten haben, zu erklären, was an McCain so toll sein soll, und sich deswegen eher darauf beschränken, Obama kleinzumachen, ihn entweder als erbärmlich unerfahren oder als bedauerlich inkonsistent zu bezeichnen – oder als arrogant.
McCain muss sich auf seine publizistischen „Surrogate“ verlassen. Und die geben ihr Bestes. Einer ist der New-York-Times-Kolumnist David Brooks, der unentwegt neue pro-republikanische Argumente entwickelt. Neuerdings versucht sich Brooks in Geschichtslektionen. McCain sei als Erbe der Staatsmänner Benjamin Disraeli und Theodore Roosevelt zu interpretieren – als Mann, der versteht, wie sehr ein Volk zwar selbstverständlich die Reform und den Wandel braucht, aber immer nur „vorsichtigen, patriotischen Wandel, der die traditionellen Tugenden der Nation zu erhalten weiß“.
Eine weitere Stellvertreterin ist die Geschäftsfrau Carly Fiorina: hübsch, gescheit, und heiter redselig. Die frühere Chefin von Hewlett Packard soll McCains Defizit in Wirtschaftsdingen kompensieren – aber auch ehemalige Hillary-Clinton-Fans für die Republikaner abfangen. Unermüdlich ist Fiorina in diesen Tagen im Fernsehen, um zu erklären, wie sehr und warum Obama in außenpolitischen Fragen als ignorant anzusehen ist. Sie gilt als eine mögliche Kandidatin für die Vizepräsidentschaft.
Aber manchmal passiert auch ihr ein Ausrutscher. So etwa, als sie zu erläutern versuchte, warum der angeblich sozialistisch anmutende demokratische Plan für eine Universalgesundheitsversicherung problematisch und das republikanische Pochen darauf, dass Amerikaner bei der Versicherungswahl frei sein sollten, besser sei: Frauen seien oft irritiert, dass manche Krankenkassen zwar für Viagra zahlen, aber nicht für Verhütungsmittel. Gute Kritik. Einziges Problem: McCain ist nicht nur Abtreibungsgegner, sondern hat auch schon zweimal gegen ein Gesetz gestimmt, welches Krankenkassen zur Deckung von Kontrazeptionskosten verpflichten würde.
DAGMAR HERZOG, geboren 1961, Historikerin, forscht unter anderem zum Aufstieg der religiösen Rechten in den USA