Ich bin Gott, und das ist hot

Max Scheibes „Berlinrevue“ im Admiralspalast ist eine Reminiszenz an alte Zeiten: Zwischen Brecht-Weill-Songs und Pop wird alles verballhornt, was beim Stichwort „Nonstop Nonsens“ nicht schnell genug auf den Baum hüpft

Der Entertainer Mark Scheibe ist ein Mann der großen Töne. In den im dritten Stock gelegenen Saal 101 des Admiralspalasts hat er für die Premiere seines neuen Programms „Berlinrevue“ gleich ein 15-köpfiges Orchester dazugebeten.

In rotem Anzug und stark gegelten halblangen Haaren setzt er sich an seinen Flügel. „Getuschel habe ich nicht gerne“, raunzt der Berliner, der sich selbstironisch als „größenwahnsinnig“ bezeichnet, ins Publikum.

Als Mark Scheibe während des zweiten Songs, anstatt eine neue Strophe zu beginnen, charmant-verschmitzt fragt: „Ich schalte mal einen Gang runter und möchte hören, wie’s Ihnen so gefällt, meine Damen und Herren“, hat er bereits die Zuschauergunst gewonnen. Donnernder Applaus brandet im Saal auf.

Beim Refrain einer Swingnummer, die vom „Castingallee-Bewohner mit Kontakt zu MTV“ handelt, darf mitgesungen werden: „Web-, Web-, Web-, Webdesigner, Web-, Web-, Web-, Webdesigner“. Der Mitte-Mensch in der Castingallee – „so heißt die Kastanienallee ja im Volksmund“ – ist zugegebenermaßen ein arg strapaziertes Thema. Aber begleitet von vier Streichern, drei Bläsern, Schlagzeug und Background-Sängern hat es bisher noch kein Comedian verschaukelt.

Unterstützt von seinem pompösen, gut besetzten Orchester wird Mark Scheibe mit der „Berlinrevue“ bis Ende des Jahres jeden ersten Montag im Monat im Admiralspalast gastieren. Sein Programm besteht aus zweierlei Songs: den Eigenkompositionen, zumeist Swingnummern mit deutschen Texten, sowie aus Gastbeiträgen jeweils wechselnder, in der Berliner Szene bekannter Musiker. Am Montag gab die niederländische Jazzsängerin Iris Romen eine sparsam arrangierte Rhumba zum Besten. Susi Asado wartete mit bluesigen Folksongs auf, und die Berliner Sängerin Meral Al-Mer brillierte mit deutschsprachigem Funk-Pop.

Die Texte der Interpreten sind zumeist lustig und mehr oder weniger sinnhaft. Cem Arnold Süzer heulte beim Song „Scheine“ in bester deutscher Soulmanier à la Xavier Naidoo ins Mikrofon: „Ich freu mich auf ein Liebeslied vom Geldautomat, doch es ist keine Auszahlung möglich“. Anna L. sang musicalhaft „Du bist so schön, wenn ich besoffen bin“. Ernster ist dann der von Mark Scheibe selbst komponierte „Unterschichten-Bossa-Nova“. Er handelt von einer 12-jährigen Schwangeren im Methadonprogramm. Allzu besinnlich wurde es auch danach nicht: H. C. Klüver parodierte James Brown „Ich bin Gott, und das ist hot“.

Trotz der enormen musikalischen Bandbreite gelingt es der „Berlinrevue“, stringent zu bleiben. Scheibes so geist- wie zitatreiche Arrangements, in denen die jahrelange Erfahrung als Theater- und Filmkomponist des 40-jährigen gebürtigen Bremers hörbar wird, halten die heterogenen Nummern zusammen. Sein Stilmix und die fast nostalgischen Anklänge an alte Revuezeiten des Admiralspalasts und der Friedrichstraße sind dabei Programm. So gibt Scheibe im eigens für den Abend komponierten „Berlin-Revue-Song“ seine Inspirationsquellen preis: „Tonfilm und Songs, Shows und Chansons, Brecht und Eisler und Kurt Weill, hohe Kultur oder neben der Spur, die Musik aus Berlin ist geil!“

Mark Scheibes Professionalität als Entertainer ist es zu verdanken, dass der Abend nie ins Klamaukige abgleitet. Eine hintergründige Absurdität zieht sich durch die gesamte Veranstaltung, zu keinem Moment ist sie oberflächlich oder banal.

Die „Berlinrevue“ ist Revue im besten Sinne: abwechslungsreich, rasant, laut, eine Feier des Pompösen und Bombastischen. Und eine Bühne, auf der die Künstler sich immer auch ein bisschen selbst feiern. Insbesondere tut das Mark Scheibe. In diesem Fall sei es ihm gegönnt.

FRANKA NAGEL

Max Scheibes „Berlinrevue“, an jedem 1. Montag im Monat im Admiralspalast