menschenrechtslage
: Die dunkle Seite der Volksrepublik

VON SVEN HANSEN

Bei Olympischen Spielen steht der Sport im Vordergrund, und so sollte es auch sein. Keine Frage. Doch niemand sollte sich vom olympischen Glanz und der beeindruckenden Modernisierung Chinas blenden lassen und dabei – wie vom Regime erhofft – die dunklen Seiten des politischen Systems der Volksrepublik übersehen. Wer in China gegen Zwangsumsiedlungen protestiert, eigene Berichte über Korruption von Kadern ins Internet stellt, eine unabhängige Partei oder Gewerkschaft gründet, Regierungskritiker vor Gericht vertritt, wer für echte Autonomie oder gar Unabhängigkeit Tibets oder Ostturkestans eintritt oder sich als praktizierender Anhänger der Falun-Gong-Sekte oder einer unabhängigen Hauskirche outet, muss mit politischer Verfolgung, Folter und Haft rechnen.

Die taz dokumentiert deshalb in dieser Ausgabe 100 Fälle von politischen Gefangenen, die aus verschiedenen Gründen inhaftiert sind und für ihren politischen Mut oft selbst eine Medaille verdient hätten. In China werden Menschenrechte von „normalen“ Bürgern verletzt, indem sie keine Meinungs- und Informationsfreiheit haben, einer der KP unterstehenden Willkürjustiz ausgeliefert sind und keine unabhängigen Interessenvertretungen organisieren können. Folter und Hinrichtungen sind weit verbreitet. Genaue Zahlen über Exekutionen gibt es nicht. Zwischen 4.000 bis 10.000 Hinrichtungen im Jahr gibt es schätzungsweise, China richtet also weit mehr Menschen hin als alle anderen Staaten zusammen.

Trotz fortgesetzter schwerer Menschenrechtsverletzungen hat es mit der Reform- und Öffnungspolitik seit Ende der 70er-Jahre große Fortschritte gegeben. Die persönlichen Freiheiten sind stark gewachsen, 300 bis 400 Millionen Menschen wurden von Armut befreit. Auch das Rechtssystem wurde verbessert, seit 2007 ist ein Rückgang bei der Zahl der Exekutionen zu vermuten. Von einem Rechtsstaat und einem institutionalisierten Schutz der Menschenrechte ist China aber noch weit entfernt. Die hier dokumentierten Fälle zeigen, wie viel trotz des olympische Glanzes zu tun bleibt.