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SARAH BSCNein, Hertha! Nicht so!

Jetzt liegt es hinter uns, das letzte bundesligafreie Wochenende dieses Sommers. So richtig gefehlt haben mir die Ligaspiele, ehrlich gesagt, nicht. Im Gegenteil, ich war ganz froh, ein paar Wochen von eventuell schlechten Herthaergebnissen verschont zu sein. Außerdem gab es während dieser Zeit genug Test-, Pokal- und EM-Spiele für jeden Balljunkie. Und auch Hertha hat den Sommer nicht untätig verbracht, ordentlich viele neue Spieler gekauft, ein neues Höhentrainingszentrum eingeweiht, und Herthinho, der hässliche, verfettete Bär, ist neun Jahre alt geworden.

So weit, so gut. Oder zumindest normal. Dann aber besuchte ich Herthas Heimseite. Mal sehen, was sonst noch los ist. Und es gibt tatsächlich große Neuigkeiten: Jack White hat die neue Hertha-Hymne produziert. Cool, dachte ich mir, Jack White von den White Stripes, da haben sie ja einen fetten Coup gelandet, einen ganz Großen gefunden, nachdem Gruppen wie Seed schon im Gespräch waren, hat Hertha einfach ein paar Musik-Ligen höher gegriffen.

Sofort klickte ich das dazugehörige Video an – und war erschüttert. Nicht der Musikguru, sondern der Berliner Musikgreis war gemeint. Ja genau, der olle Jack White, der uns mit Tony Marshall, Roberto Blanco und Hansi Hinterseer bestraft, der White, der im letzten Jahr von seiner eigenen Firma fristlos entlassen wurde, der äußerst kreative Jahresabschlüsse vorlegte und deswegen vor Gericht stand. Der Jack White, der mal Präsident von Tennis Borussia war. Dass es den überhaupt noch gibt! Warum aber Hertha sich ausgerechnet diesem Produzenten verpflichtet fühlt? Aus ewig rückwärtsgewandter Attitüde, um niemals auch nur einen Hauch Modernität zu zeigen, um auf keinen Fall junge Fans zu gewinnen. Das der Song, Entschuldigung, das ist kein Song, nur ein Lied, an schlimmste Dumpfdödeleien anknüpft, ist also zu erwarten.

Und genauso ist es. Unsere hübschen Brasilianer, Kroaten, Polen, Tschechen und Berliner werden genötigt, als blau-weißer Gefangenenchor aufzutreten. Geklaut ist die Musik nämlich auch noch. Von Verdi. Ein kleiner Auszug aus dem neuen „Text“? „… Die ganze Welt wird uns heuheutee siehiegen sehen …“ Unterlegt wird dieses Machwerk in einem Video mit Fankurvenbildern und Transparenten, auf denen Worte wie „Kraft“ in Frakturschrift stehen. Au weia. Da muss man, auch wenn es im Herzen weh tut, rufen: Nein, Hertha! Nicht siegen! Nicht so!SARAH SCHMIDT

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