: Kantinengespräche
Mit „Das Fräulein“ startet das Kleine Fernsehspiel seine kleine Reihe „Young Europeans“ (0.00 Uhr, ZDF)
Vergesst grüne Almen, majestätische Berggipfel und gemütliche vor sich hin käsende Alm-Öhis: Die Schweiz kann auch ganz anders aussehen, und in genau diese so gar nicht strahlend bunte Schweiz kommt die Bosnierin Ana, um ihr Glück zu suchen.
Zwar findet sie sehr rasch einen Job in einer Kantine, die von Ruža betrieben wird, die auch aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt. Doch die dunklen Farben und die triste Kulisse dieses Zürich, das seinen See verloren zu haben scheint, machen schnell klar, dass ein Schatten über der jungen Frau liegt, die in der Kantine von allen „Fräulein“ gerufen wird. Ana, die den Krieg in Sarajevo als Kind hautnah erlebte, hat Leukämie.
Doch der Film der Schweizer Regisseurin Andrea Štaka, die selbst bosnisch-kroatische Wurzeln hat, wird kein Trauerspiel. Er ist vielmehr die berührende Geschichte eine sich unter vielen Widerständen anbahnenden Freundschaft zwischen der Kantinenchefin Ruža, die eine Generation vor Anja losgezogen war, um ihr Glück zu finden. Und so wird „Fräulein“ auch ein Film über den Umgang mit der gemeinsamen Herkunft, die doch so unterschiedlich ist: „Ich war auch 22, als ich aus Jugoslawien wegging“, sagt Ruža irgendwann, als die erste Eiszeit zwischen den beiden endet. „Niemand sagt heute mehr Jugoslawien“, antwortet Ana. Über den Krieg mag sie nicht reden: „Bist du die ganze Zeit in Sarajevo gewesen“, will gleich bei ihrer Ankunft jemand wissen: „Ja, es war scheiße“, sagt Ana – und nicht viel mehr.
Diese spröden Dialoge zwischen der todkranken, lebenslustigen Ana und der zwar wirtschaftlich erfolgreichen, aber zutiefst einsamen Ruža schlagen dabei immer wieder ins Tragikomische um, was den Realismus der beiden „Fräuleins“ unterstreicht: Gewartet hat in der Schweiz, aber auch sonst wo, niemand auf sie. Doch Ana schmettert ihrer Krankheit bei allen Rückschlägen ein trotziges „Ich lebe“ entgegen, und auch bei Ruža regt sich plötzlich wieder was: Ausgelassen tollen kurz vor Schluss beide durch den Schnee, und da sieht auch die Schweiz wieder wenigstens ein bisschen wie auf den Postkarten aus.
„Fräulein“ ist kein guter Lila-Laune-Film. Aber realistisch und ungeschönt schön. STG
Weitere Filme der Reihe am 18. („Reconstruction“/DK) und 25. („48 Angels“/IRL) August, jew. 0.20 Uhr, ZDF