: Highway nach oben
Die Braunschweiger Band Jazzkantine macht auf dem Album „Hell‘s Kitchen“ aus Hardrock-Klassikern sanft groovende Jazz- und Funk-Nummern. Das klappt mal mehr und mal weniger gut. Trotzdem steht das Album mittlerweile auf Platz Eins der Jazz-Charts
Wenn Christian Eitner über sein Projekt Jazzkantine spricht, dann erinnert das an einen ehrgeizigen Fußball-Trainer, der nach einem hart umkämpften Unentschieden zum Saisonstart schwere Aufgaben auf sich zukommen sieht. Eitner ist sehr nüchtern und man kann sich gut vorstellen, wie bedacht er sich im Sommer 2007 Xavier Naidoo genähert hat. Naidoo, der mit Zeilen wie Dieser Weg wird kein leichter sein zum Star wurde, hat Eitners Sachlichkeit wahrscheinlich gefallen. Außerdem wird er die Idee gemocht haben: Die Jazzkantine plante ein Album mit jazzigen und funkigen Coverversionen von Hard- und Heavy-Klassikern.
Naidoo hatte das Angebot, „Nothing else matters“ von Metallica zu singen, als extrem langsame Jazzballade, mit Hammond-Orgel und unverzerrter Gitarre. Er entschied sich schnell, auf dem neuen Album der Braunschweiger mitzumachen. Nach Braunschweig aber kam er deswegen nicht: Die fertigen Aufnahmen schickte er. Und ließ wissen, dass er den Song nicht als Single-Auskopplung präsentiert haben wolle. Dafür nämlich, so Naidoo, sei seine Zeit zu knapp, vor dem Hintergrund der eigenen Projekte.
Die Jazzkantine nannte ihr Album dann „Hell‘s Kitchen“, brachte es im Juli auf den Markt und erreichte damit Platz Eins der Jazz-Charts von Media Control. Als Single wurde AC/ DCs „Highway to Hell“ ausgekoppelt, von der Jazzkantine dargebracht als sehr coole Swing-Nummer mit groovigen Bläsersätzen. Den Gesang übernahm der Gelsenkirchener Tom Gaebel, der wie Frank Sinatra klingt und als Nachwuchs-Crooner gut zu jenem neuen Interesse am Swing passt, von dem auch Leute wie Roger Cicero profitieren.
Aber der Swing alleine ist es nicht, mit dem sich die Jazzkantine die Rockklassiker zu eigen macht: Es gibt da beispielsweise „Jump“ von Van Halen als weichgespülten Bossa Nova, gesungen von Sam Leigh-Brown – eine höchst humorvolle Nummer und das beste Stück des Albums. Oder Motorheads „Iron Horse“, das die Jazzkantine zu einem schweren Funk-Stück gemacht hat, und damit lediglich unterstreicht, wie schlicht das Gitarrenriff ist – eine Coverversion, die die Welt nicht braucht. Oder „I was made for loving you“, aufbereitet als Soul-Pop-Ballade mit viel Bläsersätzen – was dem Song keine neue Qualität abringt, aber trotzdem gut klingt.
Letztlich sind es vor allem die Bläser und die veränderten Tempi, mit denen die Jazzkantine aus Stücken mit zwei bis drei Akkorden schillernde Jazz- oder Funknummern zu machen versucht. Das klappt mit unterschiedlichem Erfolg und gerade das macht das neue Album interessant.
Verabschiedet hat sich die Band damit von der Idee, die sie in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre bekannt gemacht hat: Damals mischte die Jazzkantine Jazz und HipHop und traf damit in der noch jungen deutschen Rap-Szene auf Interesse. Mit Smudo von den Fantastischen Vier hatten die Braunschweiger einen Kontakt, der ihnen die Tür in die Welt der prominenteren Namen öffnete. Die Jazzkantine verstand sich als flexibles Projekt, offen für Musiker, die kommen und gehen, während eine Kernmannschaft bleibt.
Eine Kernmannschaft, die trotz ihrer Verbandelung mit der Szene nie weg wollte aus Braunschweig, sondern im Gegenteil auch regionale Beiträge produzierte wie den Bewerbungssong Braunschweigs für die Bewerbung der Stadt als „Europäische Kulturhauptstadt“. Warum sie immer in Braunschweig geblieben sind? „Weil‘s hier so schön ist“, sagt Jazzkantine-Chef Christian Eitner. „Und weil wir gemerkt haben, dass das Musizieren in den Metropolen nicht mehr so angesagt ist, seit sich jeder kostengünstig sein eigenes Studio einrichten kann. Außerdem gibt es in der Großstadt eine wahnsinnige Konkurrenz.“ Die wird nun mit neuem Interesse auf die Jazzkantine schauen. Und womöglich mal wieder den Zug nach Braunschweig nehmen. KLAUS IRLER
Jazzkantine: „Hell‘s Kitchen“ (Sashimi Records)