: Continental Breakfast
Continental hat sich am am letzten Happen, dem Kauf des Elektronik-Zulieferers VDO, verschluckt. Die Aktien verloren an Wert. Heute Morgen entscheidet der Aufsichtsrat des Zulieferer-Giganten über das Angebot des fränkischen Unternehmens Schaeffler
Anfangs baute die 1871 gegründete Continental Massivreifen für Kutschen, seit 1898 Auto-Luftreifen, später auch Regenmäntel aus Kautschuk. Mit Übernahmen von Uniroyal (1979), Semperit (1985) und General Tire (1987) stärkte die Conti das Reifensegment. Dann wurden Technik-Zulieferer geschluckt: Teves (1998), Temic (2001), Phoenix (2004), Motorola-Autoelektronik (2006), Matador (2007) und VDO (2007). Die Conti baut heute auch Bremsen, Antriebe, Fahrwerke, Autoelektronik, an einem Hybridmotor wird geforscht. Der Konzern beschäftigt rund 150.000 Mitarbeiter an rund 200 Standorten in 36 Ländern. Im ersten Halbjahr 2008 steigerte Continental seinen Umsatz auf 13,3 Milliarden und erzielte einen Gewinn von 912 Millionen Euro. Im gleichen Vorjahreszeitraum, vor der Übernahme von VDO, hatte sie noch 8,0 Milliarden umgesetzt, das Konzernergebnis lag bei 911,5 Millionen Euro. KSC
VON KAI SCHÖNEBERG
Politiker und Gewerkschafter beschimpfen Manfred Wennemer mal als „Raupe Nimmersatt“, mal als „skrupellosen Jobkiller“. Der Vorstandschef der Continental AG setzt eben lieber auf Rendite in Billiglohnländern anstatt auf Arbeitsplätze in Deutschland. Am heutigen Mittwoch könnte Wennemer selbst Opfer des von ihm verfochtenen Turbokapitalismus werden.
Um 10 Uhr trifft sich der Conti-Aufsichtsrat in Hannover zu einer Sondersitzung, um erneut über das Angebot des fränkischen Familienunternehmens Schaeffler zu beraten, Conti-Aktien zu einem Preis von 70,12 Euro zu kaufen. Viel zu wenig für den DAX-Riesen, hatte Wennemer, der Diplom-Mathematiker aus dem Münsterland geschimpft. Allenfalls 20 Prozent an seiner Conti wollte er Schaeffler zugestehen, keinesfalls die strategische Mehrheit auf der Hauptversammlung. Den Vorstand Jürgen Geißinger hatte Wennemer als „selbstherrlich, egoistisch, verantwortungslos“ abgekanzelt, weil er sich heimlich 36 Prozent Anteile und Kaufoptionen an der Conti gesichert hatte.
Trotz Zetern kann der Conti-Boss die Übernahme durch die Herzogenauracher aber wohl nur noch aufhalten, wahrscheinlich kaum noch verhindern. Das Ende seines Lebenstraums vom unabhängigen Zulieferer-Giganten Continental wäre damit besiegelt.
So wie er selber nur mit Uralt-Handys telefoniert und als Firmenwagen einen klapprigen VW Passat fährt, hatte der Erbsenzähler auch seine Conti geführt. Während andere Manager sich zieren, über die Abwanderung von Jobs in Billiglohnländer zu sprechen, machte sie Wennemer zum Prinzip. Er senkte Kosten, „um nicht irgendwann als Tochtergesellschaft eines chinesischen Konzerns“ zu enden. So wurde die Pkw-Reifenproduktion in Hannover 2006 nicht nach Rumänien verlagert, weil sie Verluste schrieb, sondern weil sie zu wenig Gewinn einfuhr.
Die Billigheimer-Masche hatte lange Erfolg. Seitdem er 2001 Vorstandschef wurde, hat der Mann mit dem Kassengestell aus dem überschuldeten Gummispezialisten den fünftgrößten Autozulieferer der Welt geformt. Am letzten Happen, dem Kauf des Elektronik-Zulieferers VDO, hat sich Wennemer allerdings verschluckt: Wegen elf Milliarden Euro Schulden und schleppender Konjunktur halbierte sich binnen zwölf Monaten der Börsenwert der Conti. Vor einem Monat packte der Wälzlagerhersteller und Autozulieferer Schaeffler, nach Umsatz und Personal nur ein Drittel so groß wie Continental, das Schnäppchen.
Beim Showdown im Aufsichtsrat sind mehrere Szenarien möglich. Viele Conti-Auguren munkeln, dass der Aufsichtsrat das Schaeffler-Angebot heute unter Verweis auf einen zu niedrigen Preis ablehnt und dann eine außerordentliche Hauptversammlung einberuft, um Zeit zu gewinnen.
Dabei geht es wohl nur noch darum, den Preis hochzutreiben. Während Wennemer acht Banken zur Abwehr der feindlichen Übernahme engagiert hat, halten die meisten Conti-Kontrolleure den Widerstand nämlich offenbar langfristig für aussichtslos. Das Duell mit den Franken dürfe „keine verbrannte Erde“ hinterlassen, hatte Aufsichtsratschef Hubertus von Grünberg gesagt. Das hielten viele für einen Dolchstoß in Wennemers Rücken.
Auch der Widerstand auf der Arbeitnehmerbank bröselt. Seitdem die Franken verbindliche Zusagen ankündigten, gibt es kein böses Wort mehr von der IG Metall. Die hatte den Familienkonzern Schaeffler zunächst „als völlig untransparentes Unternehmen“ abgetan. Nun hat Geißinger in Hannover Beruhigungspillen verteilt: Die Conti bleibe als eigenständiges Dax-Unternehmen erhalten, die Reifensparte werde nicht verkauft, um den Deal zu finanzieren, Schaeffler versprach sogar Garantien für Jobs und Standorte. Bloß: Wie lange kann man Arbeitsplätze garantieren?
Schaeffler-Gegner streuen hingegen Verteidigungsoptionen: Etwa, dass die Conti durch den Kauf einer „Giftpille“ zu überschuldet und zu teuer werden könnte – im Gespräch ist der Zulieferer Knorr-Bremse aus München für drei Milliarden Euro. Oder, dass Schaeffler die Kontrolle über die Hannoveraner durch die Erhöhung des Aktienkapitals aus der Hand gleitet. Auch, dass „weiße Ritter“, also neue Großaktionäre, Schaeffler aus dem Boot drängen könnten, wird gemunkelt. Anfang der 90er Jahre scheiterte ein Anlauf von Pirelli, die Conti zu schlucken, an einem Konsortium aus deutschen Firmen. Allerdings sind die Zeiten der Deutschland AG längst vorbei. Angeblich gab es bereits Gespräche mit Heuschrecken, Ölbaronen und russischen Oligarchen. Aber: Wenn sie zuschlagen, verliert Wennemer auch die Macht in Hannover.