Mythos, Merchandising etc.
: Die Hure Babylon, zweiter Teil

Ach, wie ist die Welt doch so schön und übersichtlich eingerichtet. Jedenfalls, wenn man ins Museum geht; besonders wenn es sich um das Pergamonmuseum in Berlin handelt und die dort gerade laufende Ausstellung „Babylon. Mythos und Wahrheit“. Da bauen Könige Städte, während die Frauen zuschauen und ungeduldig ihr Luxushandtäschchen schlenkern, weil sie denken, „wann ist der Alte endlich fertig mit der Stadt, damit wir noch ins Theater kommen?“

Trotz Vielweiberei im alten Babylon: Mehr als 20 Frauen dürfen die Könige nicht haben, sonst gibt’s Zoff, im „Babylon-Shop“. Dort, wo die limitierte Zahl von Luxustäschchen bereitgehalten wird – wie die Staatlichen Museen zu Berlin jetzt in einer Pressemitteilung verkünden.

„Klare, reduzierte Linien und edle Materialien zeichnen die erste exklusive Design-Handtasche der Staatlichen Museen zu Berlin aus“, ist zu lesen. Und weiter: „Die luxuriöse Tasche ist aus wertvollem Lammleder mit Phytonprägung gefertigt. Ihr Futter ist aus reiner Seide und wurde mit dem SMB-Logo handbedruckt (sic! – d. Red.).“ Ansonsten handelt es sich um eine Unterarmtasche, eine derzeit so beliebte Clutch, hergestellt „in aufwändiger Handarbeit in einer Thüringer Ledermanufaktur“.

In ihrem Innern ist übrigens noch ein Schlüsselring „mit einem Lederanhänger mit eingeprägtem SMB-Logo eingenäht“. Aufbewahrt wird die Tasche, die die Berliner Designerin Heidi Götzmann entworfen hat, „in einem edlen Logo-Seiden-Etui“. Natürlich sind es die Herren Ott + Stein, „die Schöpfer“, so die Pressemeldung, Babylons, nein, pardon, „des SMB-Logos“, die entsprechend auch das „Logo-Futter“ gestaltet haben. Wer nun wiederum diesen logomanischen Pressetext gestaltet hat, bleibt – logo! – mit guten Gründen im Dunkeln.

Zu erwähnen bleibt noch, dass die Tasche „Teil des neuen Merchandisings ist, das die SMB mit Beginn der Ausstellung „Babylon. Mythos und Wahrheit“ aufgelegt haben. Muss man in diesem Marketinginstrument eine Ausgrabung des Archäologen Hermann Parzinger, des neuen Präsidenten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, vermuten? Er gilt ja als der derzeit bekannteste Altertumsforscher – nach Indiana Jones, der bekanntlich mehr Geld mit dem Ausgraben von Merchandising verdient als mit den Fantasyfilmdokumentationen dieser gefährlichen Forschungsarbeit; zuletzt etwa im „Königreich der Kristallschädel“. Das ist an sich das Weltreich der Museen, wo sich vom Smithsonian in Washington bis zum British Museum in London völlig risikolos wenigstens 13 solcher Schädel auffinden lassen. Aber solange die Museen nicht imstande sind, ihre Artefakte so liebevoll und ausführlich zu würdigen wie ihre Merchandisingprodukte, wundert es nicht, dass kein Aas davon weiß. BRIGITTE WERNEBURG