: Grüne wollen Weser-Verkehr
Bremen ist Deutschlands achtgrößter Binnenschiff-Hafen – trotzdem tuckern im statistischen Schnitt nur 20 Schiffe pro Tag durch die Stadt. Immerhin werden die Bremerhavener binnen-maritim getoppt
VON HENNING BLEYL
Der Binnenschiffverkehr in den bremischen Häfen wächst stetig, aber langsam. Zu langsam, meint die grüne Bürgerschaftsfraktion und fordert deswegen dessen weitere Förderung durch den Senat sowie die „aktive Vermarktung der Vorteile als ökologisches Transportmittel“.
Zwar gehört Bremen bereits zu den Top Ten der deutschen Binnenhäfen, im rechnerischen Schnitt tuckern trotzdem nur 20 Schiffe pro Tag zu den bremischen Häfen. Frank Willmann, hafenpolitischer Sprecher der Grünen: „Deutschland verfügt einerseits über das größte Wasserwege-Netz Europas, aber auch über dessen geringste Nutzung.“ Nun fürchten die Grünen, dass die Binnenschifffahrt gegenüber den anderen Verkehrsträgern weiter an Boden verliert.
In der Tat erhöhte sich das Transportaufkommen bei der Binnenschifffahrt laut Statistischem Bundesamt 2007 lediglich um 1,6 Prozent. Bei der Bahn gab es einen mehr als doppelt so großen Zuwachs, ganz zu schweigen von den acht Prozent, um die sich das per Laster transportierte Güteraufkommen erhöhte. Insgesamt wird mit 65 Milliarden Tonnenkilometern auf den deutschen Flüssen etwa ein Siebtel dessen an Gütern befördert, was die Straßen tragen.
Der Senat verweist darauf, dass sich der Umschlag von Binnenschiffsladung in den bremischen Häfen seit dem Jahr 2000 um stolze 27 Prozent gesteigert habe. Pro Jahr bedeutet das zwar nur eine Steigerung um etwa drei Prozent – das aber ist immer noch eine doppelt so hohe Zuwachsrate wie im bundesweiten Durchschnitt.
Die hiesige Verwaltung versucht schon seit einiger Zeit, den Binnenschiffern Rückenwind zu geben: Seit knapp zwei Jahren hat Bremen eine Binnenschiff-Beauftragte, die Kapitänen unter anderem beim Zurechtfinden im Behörden-Dschungel behilflich ist, derzeit wird Bremens erster „Masterplan Binnenschifffahrt“ erarbeitet. Vor allem aber beteiligt sich Bremen am ökologisch umstrittenen Ausbau der Mittelweser, damit der Fluss von der neuen, 120 Meter langen „Großmotorschiff“-Klasse befahren werden kann. Für Frank Willmann von den Grünen ist eine derartige Flussanpassung „wirklich notwendig“, Umweltschutzverbände wie der niedersächsische BUND sehen das anders (Bericht auf taz nord folgt).
Für Bremen fordern die Grünen, dass den hiesigen Logistik-Unternehmen für den Transport von Kohle, Öl, Getreide, Chemikalien, Fertigwaren und zunehmend auch Containern bereits existierende EU-Förderprogramme wie „Marco Polo II“ und „NAIADES“ nahe gebracht werden. In der Branche gilt deren Beantragung als extrem aufwendig, außerdem seien die für Deutschland ungünstigen Zuteilungsquoten bei der EU ein hohes Antragsrisiko.
Mit – im Jahr 2007 – 6,4 Millionen Tonnen an Binnenschiffsladung sind die bremischen Häfen trotz ihres achten Platzes im bundesweiten Ranking ein Umschlag-Zwerg im Vergleich zu Spitzenreiter Duisburg mit seinen 100 Millionen Tonnen pro Jahr. In der Binnenkonkurrenz zwischen Bremen und Bremerhaven kehrt sich das aus dem Seeschiffsverkehr bekannte Bedeutungsgefälle zwischen den beiden Hafenstädten glatt um: Mit einem Anteil von 4,8 Millionen Tonnen hat Bremen-Stadt nach Angaben von Jörg Lattner, Referatsleiter Hafenwirtschaft im Wirtschaftsressort, wenigstens Binnenschiff-mäßig die Nase weit vorn.
Ein Binnenschiff der 85 Meter langen „Europa“-Klasse verbraucht 62 Prozent weniger Energie als ein sonst notwendiger Lastwagen-Transport und 35 Prozent weniger als die Bahn – zumindest sagt das eine kürzlich vom Bundesverband der deutschen Binnenschifffahrt veröffentlichte Studie.
Für die Schaffung von Arbeitsplätzen scheint die Binnenschifffahrt, für die im Gegensatz zum LKW-Verkehr kein Sonn- und Feiertagsfahrverbot existiert, allerdings nicht allzu ergiebig. Für Bremen liegen zwar keinen speziellen Zahlen vor, bundesweit gibt es jedoch lediglich 7.500 Binnenschiffer. Dazu kommt eine gleich hohe Zahl ausländischer Kapitäne, vor allem Niederländer und Polen, die hierzulande schippern, und nicht zuletzt die 15.000 MitarbeiterInnen der Wasserschifffahrtsämter – rein rechnerisch haben die hiesigen Binnenschiffer also eine Eins-zu-eins-Betreuung.
Nichtsdestoweniger hat sich die Zahl der Binnenschiffer seit Mitte der 60er Jahre glatt halbiert, was wiederum mit den wachsenden Transportkapazitäten pro Fahrt zusammen hängt. Die derzeit größten Schubverbände – die allerdings nur auf dem Niederrhein Platz finden – schaffen mit 16.000 Traglast so viel wie 400 Bahnwaggons oder 650 LKW.